Weiblicher Sarkasmus in Riad, Karriere sei aber möglich - Sebastian Kurz diskutierte mit Aktivistinnen.
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Riad. Vielleicht gibt es kaum ein Thema, an dem sich die innere Widersprüchlichkeit des Wahhabiten-Staates Saudi-Arabien deutlicher zeigt als bei der Stellung und den Rechten der Frau in der Gesellschaft. Das machte am Donnerstagabend auch ein Treffen von Außenminister Sebastian Kurz mit engagierten Frauenaktivistinnen in der österreichischen Botschaft in Riad deutlich.
Karriere lässt sich im Golfstaat als Frau durchaus machen, Autofahren ist für sie aber immer noch tabu. Die drei temperamentvollen Damen, mit denen der ÖVP-Politiker diskutierte, haben sich im Leben an sich bereits durchgesetzt. Eine hat eine Führungsposition in der Privatwirtschaft inne und sagt: "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich schlechtere Chancen in meinem Beruf habe, weil ich eine Frau bin." Eine andere lehrt an der Universität. Die dritte ist wegen ihres Engagement für Frauenrechte nicht nur den Behörden einschlägig bekannt. Und doch war im Gespräch mit den Journalisten im Tross des Außenministers bald klar, dass die vollen Namen eher nicht einer breiteren Öffentlichkeit verraten werden sollten.
Dabei haben alle drei schon den Mut bewiesen, Tabus zu brechen. Dass sie zumindest eine zeitlang im Ausland gelebt haben, ist ihren Fremdsprachenkenntnissen anzuhören. Zwei von ihnen haben es nach ihrer Rückkehr sogar gewagt, sich an das Lenkrad eines Autos zu setzen. Sie wurden dafür bestraft. Dennoch wollen sie das Thema "Frau am Steuer" nicht auswalzen. Das sei doch nur ein plakatives Symbol. Wobei: Die Borniertheit des Systems macht der holden Weiblichkeit schon zu schaffen. Da sei ja sogar die Jihadistenmiliz Islamischer Staat fortschrittlicher, platzte es am Donnerstagabend aus einer von ihnen heraus: "Selbst der IS lässt Frauen Auto fahren."
Dürfen fast keine Entscheidungen selbst treffen
In der sunnitisch dominierten Golfmonarchie wird die Scharia, das islamische Recht, teilweise noch buchstäblich ausgelegt. Das hat etwa zur Folge, dass Frauen ohne Zustimmung ihres Vaters, Bruders oder Onkels selbst fast keine Entscheidungen treffen können. Selbst die Wahl der Arbeit oder eine Auslandsreise muss erst durch ein männliches Familienmitglied genehmigt werden. Und den Pass der Ehefrau kann der Herr im Haus im Internet im Handumdrehen annullieren lassen.
Ob es sich bei diesem System der Vormundschaft nun um eine Schikane der Obrigkeit oder einfach ein aus der Gesellschaft gewachsenes Recht handelt, das in gewisser Weise auch ein Stück traditioneller familiärer Fürsorge darstellt, darüber wurden sich aber selbst die drei streitbaren Frauen bei ihrer Diskussion in der Botschaft nicht wirklich einig.
Hochschulbildung durchaus möglich
Sie hatten aber offenbar Glück. Denn ihnen wurde von ihren Vormunden Universitätsstudien gestattet. Das sei kein Einzelfall. Streng nach Geschlechtern getrennt sei es schon früher möglich gewesen, eine ausgezeichnete Hochschulbildung zu erwerben, erzählte eine von ihnen. Im Alltag wird diese rudimentäre Form der Emanzipation erst seit ein paar Jahren sichtbar. In den riesigen edlen Shopping Malls der saudi-arabischen Hauptstadt, wo so ziemlich alles angeboten wird, was auch das westliche Herz an Markenartikeln begehrt, sind seit 2013 auch Frauen als Verkäuferinnen zugelassen.
Es kam damals zu einem regelrechten Ansturm, mehr als 500.000 Frauen drängten in die Jobs in den Boutiquen oder anderen Geschäften. Vor allem junge Menschen mit Auslandserfahrung wollen offenbar Veränderungen, wie eine der Diskutantinnen meinte: "Meine Tochter studiert in den USA. Sie würde sich auch nie völlig verschleiern."
Ein Lokalaugenschein in einer der erwähnten Shopping-Malls zeigt aber, dass die junge Dame damit nicht unbedingt im Trend liegt. Der Niqab ist dort allgegenwärtig. Zuletzt ist die Aufbruchsstimmung auch etwas ins Stocken geraten, meinte am Donnerstag die vielleicht Kämpferischste unter den Dreien. Nach dem Tod von König Abdullah im Jänner 2015 sei die Stimmung mit dem neuen König Salman wieder konservativer und weniger weltoffen geworden.
Das zeigt auch die Anzahl der Hinrichtungen, die heuer wieder drastisch anstieg. Und dass das Autofahrverbot für Frauen bald fallen könnte, erscheint auch eher unrealistisch. Wobei da auch ganz profane Gründe dahinter stecken. Einen öffentlichen Verkehr gibt es in Riad praktisch nicht und der Lobby der Taxifahrer kommt es nur zupass, wenn das "schwache Geschlecht" auch weiterhin nur auf der Rückbank Platz nehmen darf...
Gleichzeitig macht eine Drohung Saudi-Arabiens die Runde, wonach jeder Twitter-User, der die Entscheidung des Golfstaates zur Hinrichtung eines Dichters mit dem Vorgehen des IS vergleicht, verklagt werden soll. Das berichtet das Magazin "The Independent".