Die emotionsgeladene Debatte bei der gestrigen Sitzung des Nationalrats war keine Überraschung. Ebenso wenig war es die Ablehnung des Grünen-Misstrauensantrags durch die Koalitionsparteien. Erfinderisch wollten sich allerdings die Klubobmänner Andreas Khol und Peter Westenthaler zeigen: Sie stellten einen "Vertrauensantrag" für die Regierung.
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Alles kreiste um Konzepte und den Mangel an ihnen. Die Regierung strich ihre Erfolge hervor, die Opposition sprach von Planlosigkeit, die Regierung gab diesen Vorwurf an die Opposition zurück.
Den ersten Teil der gestrigen Nationalratssitzung dominierte ein Misstrauensantrag, eingebracht von den Grünen und von der SPÖ unterstützt. "Diese Bundesregierung, vor allem ihr FPÖ-Teil verdient tatsächlich Misstrauen", erklärte Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen. Die Koalition schaffe es nicht, der "Rechtsstaatsverweigerung" des "Schattenkanzlers Jörg Haider" einen Riegel vorzuschieben.
Dies wollten weder Bundeskanzler Wolfgang Schüssel noch Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer kommentieren. Lieber sprachen sie von bisherigen Erfolgen der Regierung. Und während Schüssel auf Vertrauen setzte, forderte Riess-Passer den Vergleich ein. Denn erst dieser mache sicher. So zeige ein Blick auf die rot-grüne Koalition in Deutschland steigende Schulden, ein steigendes Defizit und steigende Arbeitslosigkeit. Dem gegenüber stellte Schüssel die Situation in Österreich. In kurzer Zeit sei es gelungen, keine neuen Schulden zu machen, jeder siebente Euro fließe in die Bildung, eine Milliarde Euro zusätzlich gebe es für Forschung und Entwicklung. "Dieser Weg verdient Vertrauen, nicht Misstrauen", appellierte der Bundeskanzler.
Ähnlich sahen dies die Klubobmänner Andreas Khol und Peter Westenthaler. Zum Ausdruck brachte es Khol mit einem VP-FP-Entschließungsantrag "betreffend Vertrauen für diese Bundesregierung". Diese sei "ein gutes Team", während die Opposition keine Vorschläge oder Pläne zu bieten habe. Westenthaler sekundierte: Ein rot-grünes Modell, das bereits in Deutschland erfolglos sei, brauche Österreich nicht.
Einen "verfehlten Kurs" ortete auch SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer - allerdings auf Seiten der Koalition. Wenn die Regierung nämlich behaupte, dass "jetzt alles besser ist als vor zwei Jahren", dann sollte sie diese Botschaft den neuen Arbeitslosen, den UnfallrentnerInnen, die bis zu einem Drittel ihres Einkommens verloren hätten und allen Österreicher-Innen verkünden, die die höchste Steuer- und Abgabenquote der Geschichte zahlten.
Kurz davor hatte Gusenbauer für ein paar verwunderte Gesichter gesorgt. Der neu eingesetzte Infrastrukturminister Mathias Reichhold genieße einen Vertrauenssvorschuss, meinte der SPÖ-Vorsitzende. FPÖ-Klubobmann Westenthaler hatte bald eine Replik parat: Der Regierung das Misstrauen, gleichzeitig Reichhold das Vertrauen auszusprechen, sei Chaos. Vorhersehbar war dafür das Ergebnis der Abstimmung: Misstrauensantrag mit VP-FP-Mehrheit abgelehnt.