Zum Hauptinhalt springen

"Selbstbewusstsein rasch nötig"

Von Christian Mayr

Politik

Neo-Obmann Juraczka will sein Herzblut geben und keine Krawallopposition sein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Wiener Zeitung": Darf man Ihnen gratulieren oder muss man Sie für diesem Job als Wiener ÖVP-Obmann bemitleiden?Manfred Juraczka: Man darf mir durchaus gratulieren, weil ich das gerne und mit Herzblut mache. Weil es notwendig ist, Verantwortung zu übernehmen, um eine bürgerliche Alternative zur rot-grünen Stadtregierung zu etablieren. Wir müssen diese Alternative in der Stadt werden.

Aber praktisch jeder Kommentator findet, dass Sie angesichts einer Reihe prominenter Absagen der Einzige waren, der sich nicht heftig genug gewehrt hat.

Wir haben uns zuletzt drei Monate Zeit genommen, um diverse Optionen zu prüfen. Und dieses Mal haben wir es geschafft - und da bin ich auf die Wiener ÖVP stolz -, dass wir das in weiten Teilen intern gemacht haben. Noch am Wochenende bin ich mit anderen Optionen zusammengesessen und wir haben uns überlegt, wie wir die Partei wieder auf die Beine bringen. Wichtig ist mir, dass ich jetzt ein Team habe, das nicht nur die Breite der Partei widerspiegelt, sondern auch ein Team von Freunden ist.

Was ist Ihre Strategie gegen die rot-grüne Regierung auf der einen und die FPÖ als starke Opposition auf der anderen Seite?

Anders als die FPÖ wollen wir sicher keine Krawallopposition sein, sondern Gegenvorschläge machen. Da gibt es viele Bereiche - etwa in der Wirtschaftspolitik. Auf der ganzen Welt gelten Ballungsräume als Wirtschaftsmotoren, aber in Österreich schwächelt Wien bei den Arbeitslosenzahlen und Wachstumsdaten wegen der Strukturprobleme. Und im Verkehr passiert derzeit eine ganz schlimme Bevormundung - für mich gibt es keine guten und schlechten Verkehrsmittel.

Ein 200 PS starker SUV, der durch eine verkehrsberuhigte Gasse in der Innenstadt fährt, ist für Sie kein schlechtes Verkehrsmittel?

Wenn eine Zone verkehrsberuhigt ist, sollte er nicht durchbrausen. Ich stehe für Wahlfreiheit bei den Verkehrsmitteln: Wenn es attraktive Öffis gibt, ist jeder bereit, das Auto stehen zu lassen.

Als Wien zuletzt wochenlang unter einer Feinstaubglocke lag, konnte man auch keinen Auto-Verzicht feststellen. Sollte es daher nicht Umweltzonen mit Fahrverboten geben, wie es auch die Wiener ÖVP einmal vorgeschlagen hat?

Wenn aus Umweltgründen eine Notwendigkeit gegeben ist, natürlich. Der Feinstaub stammt aber nur zu einem geringen Teil vom Verkehr, daher sehe ich keine Sinnhaftigkeit für Fahrverbote.

Nach Ihrer Obmann-Kür sprachen Sie von einer Aufbruchsstimmung innerhalb der Partei. Woran machen Sie die fest?

Es gibt ein positives Feedback der Kollegen im Landesparteivorstand. Aber natürlich ist diese Stimmung bis zum Parteitag am 25. Februar noch herzustellen. Ich kann versprechen, dass mein Team zu allen Bünden und Bezirksparteien gehen wird, um das zu geben, was sie am dringendsten braucht - nämlich politisches Selbstbewusstsein.

Was hält der designierte Obmann von einer Vermögenssteuer?

Da müssen zuerst alle Möglichkeiten von Einsparungen ausgelotet werden. Wenn ich sehe, dass nur halbherzig eingespart werden soll, aber die Leute zusätzlich belastet würden, dann halte ich das für den falschen Weg.

Blicken wir in die Zukunft, was künftige Koalitionen betrifft: Wie halten Sie es denn mit der FPÖ?

Derzeit vernehme ich mit Sorge die eklatante Anti-EU-Politik der FPÖ bis hin zum "Raus aus der EU". Da würde es sicher nicht einfach sein, sich mit diesen Herrschaften zu finden.

Nach wie vor gilt Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz als der kommende Mann in der Wiener ÖVP, zumindest als Spitzenkandidat für 2013 oder 2015. Werden Sie für ihn das Feld räumen?

Ich habe mit ihm ein wunderbares Einvernehmen. Er sieht seine Aufgabe im Bund, ich meine in Wien. Ich freue mich, dass er meinem Team der Stellvertreter angehört und sich dort mit seinem Kernthema der Integration einbringen wird.

Manfred Juraczka wurde
am 16. Jänner 1969 in Wien geboren. Der studierte Publizist und
Politikwissenschafter arbeitete bis zu seiner Wahl als
nicht-amtsführender Stadtrat im Herbst bei Alcatel. Der neue Wiener
ÖVP-Chef ist verheiratet und Vater eines Sohnes.