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Selbstbildnis vor dem Sturm

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Eine bessere Politik ist möglich. Davon sind jetzt, vor der Regierungsklausur in Schladming, SPÖ und ÖVP überzeugt. Um zu sehen, wie eine große Koalition anders, besser vor allem, funktioniere, müsse man nur nach Norden, zum deutschen Nachbarn blicken, ist etwa der neue Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Harald Mahrer, überzeugt. In Berlin würden Union und Sozialdemokraten konstruktiv miteinander regieren und dabei, das vor allem!, die Bürger auf ihrem Weg mitnehmen.

Politik auf Sicht nennt sich das, bodenständig und sachorientiert, und Angela Merkel ist die unangefochtene Königin in dieser Disziplin.

SPÖ und ÖVP wissen, dass ihnen die Zeit davonläuft. Am Montag jährt sich der Tag der letzten Nationalratswahl bereits zum ersten Mal - und die Regierungsparteien waren vorrangig mit sich selbst beschäftigt. Und 2015 drohen gleich vier Landtagswahlen und etliche weitere Wahlgänge Sand ins Getriebe der Koalition zu streuen.

Vergangenen Sonntag hat sich in Vorarlberg gezeigt, dass nicht einmal eine ordentliche Leistungsbilanz und ein beliebter Landeshauptmann eine Partei vor dem Absturz bewahren. Der politische Rhythmus im Land wird von der Stimmung gegenüber dem Bund vorgegeben, und von nichts anderem. So gesehen müssten die Länder ab sofort ein eminentes Eigeninteresse daran haben, dass die Regierung etwas weiterbringt. Andernfalls fegt sie der Sturm der Wut "über die da oben" gleich mit hinweg - die zwar die Macher gleichermaßen wie die Polterer, die Roten genauso wie die Schwarzen.

In Schladming wird es nun an netten Bildern nicht mangeln: Prächtige Stimmung vor prächtiger Kulisse lautet die Botschaft, und auch die Ergebnisse stehen hinter den Kulissen längst fest. Solche Inszenierungen des demonstrativ Gemeinsamen haben trotzdem ihren Zweck:
Sie vermitteln jenes Bild, wie sich die Regierung selbst gerne sehen würde: anpackend, optimistisch, lösungsorientiert.

Diesen schönen Schein spielen uns Koalitionsregierungen seit Erfindung der Regierungsklausur als Medienevent vor. Nur: In den seltensten Fällen können solche Bilder die real existierende Wirklichkeit kaschieren. Um das zu schaffen, müsste man schon fast Angela Merkel heißen. Bei dieser merkt nämlich fast keiner, dass die letzten wirklichen Reformen aus einer Zeit stammen, als noch Rot-Grün regierte.