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Selbstblockade endlich überwunden Großes Projekt ist aber nicht in Sicht

Von Walter Hämmerle

Analysen

99 Tage begaben sich SPÖ und ÖVP auf die Suche nach einem gemeinsamen großen Projekt, das die Neuauflage der großen Koalition zu tragen im Stande sein könnte. Die vielfach angekündigte und versprochene umfassende Verfassungsreform wird es aber wohl nicht werden, denn erneut kreißte zwar der Berg, doch mehr als ein kleines Mäuslein wollte auch diesmal nicht ans Licht der Welt. Dieser Schluss muss zumindest aus dem bisher vorliegenden Inhalt des rot-schwarzen Regierungsübereinkommens gezogen werden. Die Vorarbeiten des Österreich-Konvents werden wohl nur in einer Mini-Reform münden.


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Mit der Einführung der Briefwahl und der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre für alle Ebenen ist SPÖ und ÖVP aber dennoch ein Durchbruch gelungen, der in Zeiten rapide fallender Wahlbeteiligung nicht gering geschätzt werden sollte. Damit hat endlich - die ans Infantile grenzende - jahrzehntelange Selbstblockade der beiden Großparteien in einem für die Demokratie wesentlichen Bereich ein Ende gefunden. Dass gleichzeitig auch Auslandsösterreichern die Stimmabgabe bei Wahlen im Heimatland über die Einführung von E-Voting erleichtert werden soll, ist ebenso zu begrüßen.

Fast noch mehr gilt dies aber für die nun vereinbarte Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre. Damit ist ein erster Schritt getan, den Rhythmus der Politik den veränderten realpolitischen Tatsachen anzupassen: Netto hat eine Regierung maximal drei, mitunter auch nur zweieinhalb Jahre Zeit, ihre zentralen Vorhaben in Gesetzesform umzusetzen. Besonders unpopuläre Maßnahmen müssen nach dieser Rechnung ohnedies im allerersten Jahr einer neuen Regierung gesetzt werden - oder sie werden eben nicht gesetzt.

Natürlich haben Politiker oft auch Angst vor der eigenen Courage, dem Wahlvolk Steuererhöhungen, Pensionskürzungen oder sonstwie Unpopuläres zuzumuten. Allein schon der Glaube an diese ungeschriebene Regel der Politik lähmt jedoch die Funktionsfähigkeit des gesamten Systems. Jede Regionalwahl wird dann zur willkommenen Ausrede für das Aufschieben notwendiger, aber eben schmerzhafter Reformen. Mit der Verlängerung der Legislaturperiode um zwölf Monate öffnet sich das Zeitfenster jeder Regierung.

Abzuwarten bleibt, ob dieser Schritt auch zur Etablierung so genannter Super-Wahlsonntage führen wird, an denen Landtags- und Bundeswahlen zusammenfallen. Bisher hat ja jeder Landesfürst einen zeitlichen Nahbezug "seiner" Wahl mit einer Bundeswahl gescheut wie der Teufel das Weihwasser.

Die steirische ÖVP hat das einmal, 1995, versucht. Die schallende Ohrfeige, die sie dabei von den Wählern bekommen hat, gilt seitdem allen regierenden Landesfürsten als abschreckendes Beispiel. Die hierin schlummernden Möglichkeiten, die arbeitslähmenden Folgen von Wahlkämpfen zumindest zeitlich zu begrenzen, war deshalb bis jetzt kein Thema.