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Die Meriten des ehemaligen polnischen Präsidenten Lech Walesas für die Befreiung des Ostblocks vom Joch des Kommunismus sind unbestritten. Warum demontiert er sich jetzt selbst?
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Lech Walesa, einstige Galionsfigur der Werftarbeitergewerkschaft Solidarnoæ in Danzig in den frühen 80er Jahren, späterer polnischer Staatspräsident (1990 bis 1995) und Friedensnobelpreisträger (1983), hat sich um die europäische Einigung unschätzbare Verdienste erworben.
Ohne die revolutionäre "Initialzündung" durch die von ihm geleitete Bewegung wäre der Ostblock nicht - oder zumindest nicht so rasch - kollabiert und hätten in der Folge auch nicht acht ehemalige kommunistische Staaten bereits 15 Jahre später, nämlich schon 2004, der EU beitreten können. Wegen dieser Verdienste wurde Walesa auch in den vor kurzem eingerichteten "Weisenrat" in der EU berufen.
Schwärmen für Libertas
Die eindeutige Europa-Orientierung des polnischen Freiheitshelden wird neuerdings aber durch eine mehr als merkwürdige Liaison mit dem Anti-Europäer Declan Ganley überschattet, der die europakritische Partei "Libertas" gegründet hat. Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen Walesa diesen seinen Ruf aufs Spiel zu setzen beginnt.
Einen Tag, nachdem sich Walesa am 30. April 2009 in Warschau auf dem Kongress der konservativen Europäischen Volks-Parteien von den mehr als 2000 Delegierten der Europäischen Volkspartei (EVP) frenetisch hatte feiern lassen, trat er in Rom auf dem Gründungskongress der euroskeptischen Formation "Libertas" als Hauptredner auf.
Dabei pries er das Ideengut des "Libertas"-Gründers Ganley, das das Potenzial habe, Europa zum Besseren zu verändern.
In einem bissigen Kommentar der liberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" mit dem Titel "Quo vadis, Walesa?" wurde der Auftritt Walesas heftig kritisiert und ironisch darauf hingewiesen, dass dieser sich bei der Suche nach seiner politischen Heimat wohl etwas verirrt habe.
Am 14. Mai wiederum trat Walesa ein weiteres Mal auf einer Wahlveranstaltung von Libertas in Madrid auf und lobte auch dort wieder das Programm dieser extrem europakritischen Partei.
Declan Ganley, ein irischer Unternehmer, dem die Technologie-Firma Rivada gehört, hat den Verein "Libertas" 2008 gegründet, um damit gegen die Ratifikation des Vertrages von Lissabon zu opponieren. Durch eine mit dem Einsatz von 1,3 Millionen Euro unterstützte Kampagne gelang es Libertas, das irische Referendum vom 12. Juni 2008 über den Vertrag von Lissabon negativ ausgehen zu lassen.
Wie zwischenzeitlich auch von Ganley zugegeben wurde, hat Walesa für seinen Auftritt in Rom eine größere Summe Geldes erhalten.
Walesa leugnet diesen Umstand auch nicht und erklärte zu seiner Rechtfertigung, dass er in Polen ungefähr 3000 Zloty (700 Euro) im Monat verdiene, was ihm aber nicht reiche. Konkrete Angaben zur Höhe des Honorars machte Walesa nicht, replizierte aber auf den Hinweis, dass dies etwa 50000 Euro gewesen sein dürften, lakonisch mit der Bemerkung: "Haltet ihr mich für so billig?".
Wenngleich die Schlagfertigkeit dieser Antwort verblüfft, so hinterlässt sie doch einen mehr als schalen Nachgeschmack. Ein Denkmal bekommt Risse - allein um des schnöden Mammons willen?
Der weitere Vorwurf, der erst kürzlich durch einen jungen polnischen Historiker erhärtet wurde, Walesa wäre unter dem Decknamen "Bolek" von 1970 bis 1976 Mitarbeiter des polnischen Staatssicherheitsdienstes gewesen, kann in diesem Zusammenhang eigentlich nur mehr als vernachlässigbar gewertet werden.