Deutschlands Medienkonsumenten können aufatmen. "Fuchs tot", blasen die Medien nach ihrem zweiwöchigen Halali auf Karl-Theodor zu Guttenberg. Was haben sie nicht alles zusammengetrommelt, um ihrem Publikum die Sympathien für den Freiherrn auszutreiben. Täglich durfte ein Rektor oder Professor angewidert sein, ob des unehrlichen Griffs des Ministers nach dem Doktorhut.
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Zum Finale fanden sogar 20.000 echte Akademiker zusammen (wie eigentlich?) und zitterten in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel um den Wirtschaftsstandort Deutschland.
So viel Eintönigkeit erinnerte an die Medienvielfalt der DDR selig. Die Konsumenten verschlangen denn auch die sich täglich wiederholenden Nachrichten mit dem gleichen Heißhunger, wie seinerzeit Erich Honeckers Landsleute die aufregenden Berichte der gleichgeschalteten DDR-Presse über die Jagd auf die Kartoffelkäfer. Das angewiderte Publikum hatte allen Grund zu staunen: Plötzlich spielte Quote keine Rolle. Es ging nur noch um den Triumph beim medialen Machtbeweis. Die Overkiller Springer, Streicher, Goebbels ließen grüßen.
Das alles hätten sie sich und ihren Abnehmern sparen können. Statt blind den politischen Gegnern des Freiherrn nachzuplappern und nachzuschreiben, hätten sie nur nachschlagen und erkennen müssen, dass es zum Rücktritt des Verteidigungsministers ohnedies nie eine Alternative gab. Hat sich seinerzeit nicht ein Kanzler Willy Brandt durch eine spektakuläre Frauen- und Spionageaffäre erpressbar gemacht? Ist er nicht mit den Worten, ein deutscher Kanzler dürfe nie erpressbar sein, von diesem Amt zurückgetreten?
Keine Frage, auch Verteidigungsminister Guttenberg hat sich erpressbar gemacht. Das wiegt ungleich schwerer als seine akademische Mogelpackung. Der ihn überführte, war halt anständig und wandte sich an die Öffentlichkeit statt an den falschen Doktor. So hat Deutschland einen talentierten Politiker verloren. Es braucht aber nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass bei einem erpressbaren deutschen Verteidigungsminister, einem hochkarätigen Geheimnisträger mit Milliardenetats, auch weit Schlimmeres hätte passieren können.
Und da sich einem Österreicher immer der Name Karl-Heinz Grasser in Erinnerung ruft, wenn von einem Guttenberg die Rede ist: In Wien lächelt der Ex-Finanzminister zurzeit von "profil"-Plakaten, gepaart mit der Judas-Frage: "Können diese Augen lügen oder dich sogar betrügen?"
Welch eine beschämende Ankündigung von Parteilichkeit, was für ein unprofessionelles Eingeständnis von böser Absicht als Produktwerbung für ein Nachrichtenmagazin. Die Grassers und Guttenbergs sind vergänglich. Bleibt die degoutante Selbstentblößung der Enthüllungsjournalisten im Blattsalat.
Werner Stanzl ist Autor und Verlagslektor in Kärnten und war zuvor außenpolitischer Journalist (u.a. in London und Hamburg).