Der Fiskalrat fordert rasche Einigung auf Kernpunkte der Steuerreform und bescheinigt der Regierung: Das Budget 2015 ist nicht gefährdet.
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Wien. Eine schwache Konjunktur, die Zuschüsse zur Hypo-Abbaubank, eine Steuerreform. Das alles muss die Regierung im kommenden Jahr stemmen. Aber kann sie das und hält das Budget 2015 unter diesen Vorzeichen? Ja, sagt Bernhard Felderer, Leiter des österreichischen Fiskalrats, der zur Überwachung der EU-Budgetregeln in Österreich als Nachfolgegremium des Staatsschuldenausschusses eingerichtet wurde. Die Budgetentwicklung für 2014 und 2015 sei "stabil". Im kommenden Jahr wird beinahe ein ausgeglichener Haushalt erreicht.
"Ich glaube nicht, dass wir große Angst haben müssen", sagt Felderer. In Deutschland gehe man von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent aus und auch ein Wachstum von 0,8 Prozent - wie es für den Euroraum prognostiziert sei - "ist keine Rezession".
Wifo revidiert Erwartungen nach unten
Budgetexperte Hans Pitlik vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat keine so wolkenlosen Aussichten zu bieten. Das Wifo veröffentlicht heute, Donnerstag seine neue Prognose. "Wenn wir davon ausgehen, dass die Prognose nach unten revidiert werden muss, wird es für das Budget kritisch", sagt der Ökonom zur "Wiener Zeitung".
Der Fiskalrat hat denn auch für die Regierung einige Empfehlungen in seinen "Bericht zur Einschätzung der Budgetentwicklung 2014-2015" gepackt. Eine davon ist eine möglichst rasche Einigung über die Kernelemente der Steuerreform. Denn das Investitionsklima sei durch die maue Konjunktur und die geopolitische Lage ohnehin schwer belastet. "Unsicherheiten über die zukünftige Steuer- und Abgabenstruktur schwächen die private Nachfrage sowie den Wirtschaftsstandort zusätzlich", schreibt der Fiskalrat.
Lohnsteuer senken und damit Wachstum ankurbeln
Felderer sieht die derzeitigen Positionen von SPÖ und ÖVP beim Thema Steuerreform so weit auseinander wie noch nie. Aber lange Diskussionen würden verunsichern. Daher rät er, die Steuerreform "bald unter Dach und Fach zu bringen". Als Privatmann, nicht als Vorsitzender des paritätisch besetzten Fiskalrats rät er von Vermögenssteuern ab. Wichtig sei allerdings eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, weil damit das Wachstum angekurbelt werden könne.
Und schließlich könne man damit schon wieder einen Teil der Steuerreform finanzieren. Die SPÖ schätzt ja bei ihrem Modell auf eine Selbstfinanzierung von 1 Milliarde Euro, die ÖVP geht von 900 Millionen Euro aus. Felderer hält das für vorsichtige Schätzungen. "Die Selbstfinanzierung ist kein Märchen."
Dass es eine Selbstfinanzierung der Steuerreform geben wird, bestreitet auch Pitlik nicht, allerdings denkt er, die Erwartungen von SPÖ und ÖVP diesbezüglich seien zu hoch gegriffen.
Ein Grund dafür, warum diese Selbstfinanzierungserwartungen so hoch liegen und warum auch die Zuversicht, dass das Budget 2015 halten wird, so groß ist, liegt vermutlich in den sprudelnden Lohnsteuereinnahmen. Diese liegen immerhin sechs Prozent über dem Plan. Dass sich die Lohnsteuer derart gut entwickelt ist selbst für Ökonomen erstaunlich und angesichts der schlechten Konjunktur nicht leicht zu erklären.
Am ehesten stellt sich das durch die enorm hohe kalte Progression dar, die besser als versteckte Steuererhöhung bezeichnet werden könnte. Mit ein Grund, warum sich alle Finanzminister gegen automatische Anpassungen der Steuersätze an die Inflation so erfolgreich zur Wehr setzen.
Fiskalrat optimistischer als Finanzministerium
Für das kommende Jahr rechnet der Fiskalrat jedenfalls mit einem "strukturellen Defizit" von nur 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). (Ausgangsbasis ist eine Wirtschaftswachstumsprognose von 0,8 Prozent - die aber heute vom Wifo nach unten revidiert wird.) Damit ist das Kontrollgremium optimistischer als das Finanzministerium, das ursprünglich von einem Prozent ausgegangen ist, aufgrund einer Ermahnung der EU-Kommission aber auf 0,7 Prozent revidieren musste. Damit wird das von den EU-Regeln vorgegebene "strukturelle Defizit" von 0,45 Prozent fast erfüllt. Den Grund für die positivere Einschätzung des Rates begründete Felderer mit der vorsichtigen Einschätzung des Finanzministeriums- etwa in Hinsicht auf die zu erwartenden Zinszahlungen. Heuer liegen diese bei etwa 7 Milliarden Euro - in den Jahren davor lagen sie bei mehr als 10 Milliarden Euro. Für heuer erwartet der Fiskalrat eine Verbesserung des strukturellen Defizits um 0,6 Prozentpunkte gegenüber 2013 (1,3 Prozent) auf 0,7 Prozent des BIP. Das Finanzministerium rechnet hier mit einem Prozent.
Damit würden die EU-Fiskalregeln 2014 und 2015 im Wesentlichen erfüllt. Lediglich die Ausgabenregel werde verfehlt werden, Grund seien Sondereffekte wie die Abbaugesellschaft der Hypo.
Der Schuldenstand ist heuer wieder enorm nach oben geschnellt, er liegt bei 86 Prozent des BIP oder 283,4 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr wird der Schuldenstand zwar 286,4 Milliarden betragen, aber nur noch 84 Prozent des BIP sein.
Expertenrat für Budget-und Finanzpolitik
Um die Budget- und Finanzpolitik von der Tagesaktualität zu entkoppeln, hat Finanzminister Hans Jörg Schelling am Mittwoch einen Expertenrat unter dem Titel "Österreich 2020" vorgestellt, der bis März Vorschläge für eine moderne Budget- und Finanzpolitik vorlegen soll. Geleitet wird die elfköpfige Runde von Thomas Wieser, Chef der Arbeitsgruppe der Euro-Finanzminister. Mit Kurzfrist-Themen wolle man sich da nicht befassen, sondern "jenseits des Tellerrandes" blicken.