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Selbstgerecht geht nicht nur inkognito

Von Christina Böck

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Es wäre eigentlich eine begrüßenswerte Diskussion. Denn es geht ja darum, wieder einmal daran zu erinnern, dass es theoretisch Umgangsformen gäbe, die nicht von Untergriffen oder Gehässigkeit geprägt sind. Dass es so etwas wie Höflichkeit oder gar Respekt gäbe. Und das sogar im Internet. In der vergangenen Woche hat der Kommunikationsberater Wolfgang Rosam eine Initiative gegründet, die eine Klarnamenpflicht für Onlineforen von Medienportalen fordert. Damit wollen er und andere "Meinungsmutige" erreichen, dass es weniger "Shitstorms in anonymen Postings" gebe. Ausgerechnet der Boulevard à la "Österreich" und "Heute" sprang ihm zur Seite. Und seit dieser Woche mobilisiert Verleger Christian Mucha mit Werbeboykott-Aufrufen gegen Medien, die anonyme Leserkommentare zulassen.

Tatsächlich entstehen die meisten Shitstorms längst nicht unter den Artikeln von Zeitungen, sondern in Sozialen Medien. Und keineswegs inkognito. Erst am Sonntag zeigte sich wieder, wie flott geurteilt wird, ohne Widersprüchlichkeiten zu bemerken oder auf Bestätigungen zu warten. So war Zurückrudern am Montag olympische Disziplin auf Twitter, als sich herausstellte, dass eine Frau, die wegen Polizeigewalt angeblich eine Fehlgeburt erlitten hatte, gar nicht schwanger gewesen sei.

Es ist nun einmal eine Zeit der digital-emotionalen Schnellschüsse, damit wird man leben müssen. Ein Tweet von 140 Zeichen ist eben zügig geschrieben. Vielleicht sollte man sich aber zumindest vorher die Zeit nehmen, den Selbstgerechtigkeitsmodus auszuschalten. Ob mit Fantasie- oder echten Namen.