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Hochschulforscher übt Kritik an Debatte um Studienkosten. | Hans Pechar: Studiendauer durch Gebühren senken. | "Wiener Zeitung": Länder wie etwa Deutschland heben auch in der Wirtschaftskrise das Budget für die Bildung an. Warum geschieht das in Österreich nicht? | Hans Pechar: Auch in Deutschland ist die Situation nicht so rosig, wie das bei uns manchmal erscheint. Zwar will die Bundesregierung dort mehr Geld ausgeben, für die Hochschulen sind aber die Länder zuständig - und die stehen auf der Bremse oder kürzen sogar.
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Gemessen am BIP gibt Deutschland bisher weniger für Bildung aus als Österreich. Ohne die Budgetpläne unserer Regierung zu verteidigen: Die Budgetkonsolidierung lässt nicht viele Optionen offen. Entweder man erhöht die Steuern oder man kürzt andere Ausgaben. Welche das sein sollen, ist eine Frage der Durchsetzungsfähigkeit. Leider sind die Unis nicht so durchsetzungsfähig wie die Pensionistenlobby.
Die Unis greifen zur Selbsthilfe, zuletzt die Wirtschaftsuni Wien und die Psychologie in Klagenfurt. Sind solche Maßnahmen sinnvoll?
Ich halte sie für unerlässlich. Die Universitäten können die Prioritätensetzungen bei den staatlichen Ausgaben nur begrenzt beeinflussen. Aber sie können sich gegen die Scheinheiligkeit der Politik auflehnen, die den offenen Hochschulzugang verkündet, aber bei der Finanzierung auf die Bremse steigt. Es sollten sich mehr Unis gegen die dadurch entstehenden unzumutbaren Studienbedingungen wehren.
Müsste man nicht die gesamte Hochschullandschaft in Österreich neu sortieren?
Durch Einzelmaßnahmen entsteht ein Verdrängungseffekt, der andere Unis belastet. Dem kann man nur durch eine flächendeckende Zugangsregelung entgehen. Die Elemente dazu liegen auf dem Tisch: Studienplatzfinanzierung und das Recht für die Unis, Aufnahmeverfahren zu entwickeln, wenn die vereinbarte Zahl von Studienplätzen überschritten wird.
Die Unis sollen Aufnahmeverfahren einführen können, diese sollen aber von der Politik überprüft werden?
Natürlich kann es in einem öffentlichen System nicht die Privatsache einer Uni sein, wie sie ihre Studenten auswählt. Es darf zu keinen diskriminierenden Maßnahmen kommen. Ich kann aber den Grundverdacht nicht nachvollziehen, dass die Unis ein Interesse an diskriminierenden Verfahren hätten. Das behaupten jene, die gegen Aufnahmeverfahren sind.
Die Hochschülerschaft?
Zum Beispiel. Aber auch die SPÖ fährt hier ein merkwürdiges Doppelspiel. Der Konsolidierungskurs ist Regierungskonsens, da kann man nicht Quasi-Oppositionspolitik machen und sich auf den Koalitionspartner ausreden, wenn die Unis auf die unzumutbaren Bedingungen bei den Massenfächern hinweisen. Das hat die ÖVP im Vorjahr beim Konflikt um die Lehrerkosten ähnlich gemacht.
Sie kritisieren immer die Abschaffung der Studiengebühren. War den Unis mit 363 Euro im Semester geholfen?
Es war ein geringer Beitrag, der die Studenten nur gering belastet und dementsprechend den Unis nicht viel gebracht hat. Aber weniger ist besser als nichts.
Wie hoch müssten sinnvolle Studiengebühren sein?
Das ist von vielen Faktoren abhängig, nicht zuletzt von politischer Psychologie. Ich halte etwa 500 Euro im Semester für realistisch. Das reicht natürlich nicht, um die Finanzierung der Unis auch nur in die Nähe der 2 Prozent des BIP zu bringen, die jetzt allgemein als Ziel betrachtet werden. Es muss auch die öffentliche Finanzierung steigen.
Obwohl es de facto keine Gebühren gibt, liegt Österreich bei den privaten Kosten für ein Studium OECD-weit an zweiter Stelle. Warum?
Die Debatte um private Beiträge wird unzulässig vereinfacht: Alle starren auf die bei uns winzigen Studiengebühren; aber die Opportunitätskosten - also der Verdienstentgang - fallen unter den Tisch. Dabei ist in Österreich das Verhältnis zwischen Gebühren und Verdienstentgang eins zu 17. Die winzigen Gebühren werden dramatisiert, aber das, was die Studenten wirklich belastet, entgeht der Aufmerksamkeit. Die Opportunitätskosten sind wegen der langen Studiendauer so hoch, verursacht durch Erwerbstätigkeit und schlechte Studienbedingungen. Wenn man mit sozial verträglichen Gebühren die Studienbedingungen und die Studienförderung so verbessert, dass die Dauer sinkt, ist das für Studenten ein Vorteil. Man wird die Studentenvertreter kaum davon überzeugen können, dass Beiträge in ihrem Interesse sind. Aber man sollte zumindest die Komplexität des Themas besser kommunizieren.
Könnte man die SPÖ mit diesem Argument überzeugen?
In der SPÖ gibt es viele, die sich abseits der Öffentlichkeit für Studiengebühren aussprechen, aber bestimmend sind die Dogmatiker, die sich nicht bewegen können. Es war ein schwerer politischer Fehler der SPÖ, die Abschaffung der Studiengebühren zu versprechen. Eine Regierungspartei wird an der Einlösung ihrer Versprechen gemessen. Und zwar nicht nur, was die Abschaffung der Studiengebühren betrifft, sondern auch in Bezug auf eine ausreichende Finanzierung der Unis. Ohne Gebühren schafft sie das, wie man sieht, nicht.
Hans Pechar (60) ist Vorstand des Instituts für Hochschulforschung an der Uni Klagenfurt.
"Weniger ist aus Sicht der Unis besser als gar nichts." Zu den Studiengebühren