Zum Hauptinhalt springen

Selbstmörderische Marktgläubigkeit

Von Franz Piribauer

Gastkommentare
Franz Piribauer ist Allgemeinmediziner, Amtsarzt und Psychotherapeut. Er hat an der Universität Harvard eine Zusatzausbildung in Public-Health absolviert. Zwei ausführlichere Beiträge von ihm sind in den Ausgaben II/2021 und VI/2021 der Zeitschrift "International" erschienen (https://international.or.at).
© privat

Die globale Seuche verdammt uns zur globalen Solidarität - auch beim Impfstoff.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Einem erfolgreichen Suizid gehen oft einige erfolglose Suizidversuche voraus. In einem solchen - im übertragenen Sinn - befindet sich die EU gerade. Wenn im globalen Süden, allen voran auf unserem Nachbarkontinent Afrika, die Ausbreitung des Coronavirus durch erbärmlich niedrige Impfquoten befeuert wird, entsteht auch für uns Schaden. Das sehen wir an der nun für Jänner befürchteten fünften Welle, getrieben von der im südlichen Afrika aufgetauchten Omikron-Mutation.

Jeder erfolgreich Infizierte ist aus Sicht des Virus ein herrliches Labor, in dem es, den Gesetzen der biologischen Evolution folgend, zwangsläufig neue Mutationen testen kann.

Wir, als Spezies Homo sapiens, sind durch die naturgesetzlichen Mechanismen bei dieser globalen Seuche zur globalen Solidarität verdammt. Wer sich dieser Wahrheit zu entziehen versucht, den bestraft quasi die Geschichte. Einige EU-Staaten entziehen sich seit Oktober 2020 diesem Fakt. 14 Monate Realitätsverweigerung sind bei einer Pandemie eine lange, für Mensch und Wirtschaft tödlich lange Zeit. Seit damals wird der Antrag Südafrikas und Indiens bei der Welthandelsorganisation (WTO) auf zeitweilige Aufhebung der Covid-Impfpatente blockiert. Während sich die USA unter Präsident Joe Biden nun mit dem globalen Süden in der WTO solidarisieren und ihren mRNA-Impfstoff von Moderna de facto zum kostengünstigen Nachbau freigeben würden, verweigern laut bisher unwidersprochenen Meldungen einige EU-Staaten, angeführt von Österreich und Deutschland, die Freigabe ihrer mRNA-Technik.

Was hinter den EU-Kulissen vorgeht, soll offenbar unklar bleiben. Ein "virtuelles Schreddern", das Löschen der Verhandlungs-SMS und -Chats, bei der Bestellung von 1,8 Milliarden Dosen mRNA-Impfstoff, geführt zwischen Dr. med. Ursula von der Leyen und dem CEO von Pfizer, hat die EU-Ombudsfrau bereits Ende Sommer zur Anzeige gebracht. Sollen hier etwa die Profite aus den Patenten für den "EU-heimischen" mRNA-Impfstoff, dessen Wirkung nun in der Praxis gar nicht so durchschlagend ist wie anfangs geglaubt, auf Kosten der restlichen Wirtschaft und der Gesundheit vieler geschützt werden? Diese Strategie geht für 97 Prozent der Wirtschaft nach hinten los, wie Omikron dramatisch zeigen könnte. Es ist zu hoffen, dass Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im Namen der österreichischen Bundesregierung doch noch umdenkt und der neue SPD-Kanzler seine Richtlinienkompetenz wahrnimmt. Letztlich sollte doch Menschlichkeit vor den Profitinteressen der Pharmaindustrie gehen.