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Erdöl ist nach der herrschenden Meinung untrennbar mit unserem Wohlstand verbunden. Jetzt aber behauptet August Raggam, Biomasse-Pionier der TU Graz, dass dank Holz ein vollständiger Ausstieg aus den fossilen Energieträgern kurzfristig und ohne Wohlstandsverlust möglich sei.
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"Biomasse ist der Hoffnungsanker der Zukunft", ist sich Raggam, der sich mit diesem Thema seit 30 Jahren auseinandersetzt, sicher. Der inzwischen im (aktiven) Ruhestand befindliche Professor der TU Graz hat im Frühjahr das Buch "Klimawandel - Biomasse als Chance gegen Klimakollaps und globale Erwärmung" auf den Markt gebracht, in dem er eine völlig neue These vertritt: Österreich könnte sich innerhalb weniger Jahre mit seinen eigenen Rohstoffen nachhaltig selbst versorgen - und dies ohne Wohlstandsverlust. Damit stellt Raggam alle bisherigen Aussagen auf den Kopf, nach denen ohne fossile Energieträger (und hier vor allem ohne Erdöl) alle Räder still stehen würden. Genau das Gegenteil sei der Fall, wobei er als ersten und wichtigsten Schritt zur Selbstversorgung das Energiesparen sieht. Die Hälfte des derzeitigen Energieverbrauches könne mit Hausisolierung, dem Umstieg auf Elektroautos (sie sind effizienter, gleichzeitig kommt man weg vom Erdöl) und mit der Umstellung auf ein "dezentrales Energiesystem" eingespart werden.
Raggam glaubt, die erforderliche Energie zur Selbstversorgung könne durch Wald und Landwirtschaft aufgebracht werden, wobei er immer von einer schonenden, nachhaltigen Nutzung der Ressourcen ausgeht. Beim Wald müsse es zu Änderungen der Aufforstung, der Pflege und der Ernte kommen, in der Landwirtschaft sieht Raggam in der Anpflanzung von Energiewaldstreifen als Weg-, Wiesen- oder Ackerbegrenzung ein riesiges Potenzial mit großen ökologischen Vorteilen.
Doch wie kann es sein, dass alle bisherigen Schätzungen das Biomasse-Potenzial in Österreich weit geringer angegeben haben? Er habe nicht nur genau die Literatur studiert, sondern sich auch mit Zuwachsmessungen und -berechnungen genau beschäftigt und sei zum Ergebnis gekommen, dass "man bisher keine Ahnung hatte, wie viel im österreichischen Wald zuwächst", meint der Experte. Unter anderem sei in den bisherigen Berechnungen die Brennholzentnahme über Generationen nicht berücksichtigt und ein viel zu geringer Zuwachs an Biomasse angenommen worden.
300.000 neue Arbeitsplätze?
Raggam fordert, im Sinne der Verantwortung für Mensch und Natur ausschließlich jene Energieträger zu nutzen, die wir im eigenen Land - nachhaltig - auch vorfinden. Nur so lasse sich auch die energetische Abhängigkeit vom Ausland beenden. "Biomasse ist friedenssichernd, denn alle Kriege der Vergangenheit lassen sich auf Rohstoffkonflikte zurückführen."
Weiters erinnert er daran, dass wir dem Erdöl auch Wirtschaftskrisen, Umweltkatastrophen wie Tankerunfälle, Umweltverschmutzung sowie einen erheblichen Anteil am Treibhauseffekt zu "verdanken" haben. Doch er sieht im Falle einer Umstellung von Erdöl auf Biomasse noch einen anderen großen Vorteil: Die Schaffung und nachhaltige Sicherung tausender Arbeitsplätze. Raggam: "Wir importieren jährlich fossile Energieträger um rund sechs Mrd. Euro. Rechnet man für einen Arbeitsplatz 20.000 Euro, so könnten mit diesem jährlich eingesparten Gesamtbetrag (Öl, Gas und Kohle wird durch Biomasse ersetzt) 300.000 zusätzliche Arbeitsplätze finanziert werden."