Das Spurenelement ist bedeutend für unsere Gesundheit. Ein Mangel kann verheerende Auswirkungen haben.
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Vitamine und Mineralstoffe nehmen wir tagtäglich mit unserer Nahrung zu uns. Einige spezifische davon haben maßgeblichen Einfluss auf unser Immunsystem. Das Spurenelement Selen scheint einer jener großen Player zu sein, dessen Mangel unsere Gesundheit massiv beeinträchtigen kann. Eine ausreichende Versorgung schützt vor Herz-Kreislauferkrankungen und frühzeitigem Tod bei schweren Infekten, betont Lutz Schomburg, stellvertretender Direktor des Instituts für Experimentelle Endokrinologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin, gegenüber der "Wiener Zeitung". Ebenso spielt es ihm zufolge eine wichtige Rolle in der Prävention von Autoimmunerkrankungen.
Das menschliche Immunsystem ist ein hochkomplexes System, das einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt ist und erfolgreich mit Krankheitserregern, aber auch veränderten körpereigenen Zellen zurechtkommt. Von den meisten Attacken bekommen wir gar nichts mit, weil Abwehrzellen die Störenfriede meist still und heimlich beseitigen. Das Immunsystem kann allerdings auch fehlerhaft reagieren oder heftig übertreiben, wodurch Autoimmunerkrankungen und Allergien zum Vorschein kommen können. Sowohl ein träges als auch ein übereifriges Abwehrsystem kann zum Schaden unserer Gesundheit werden.
Essenzielles Spurenelement
Selen zählt zu den sogenannten essenziellen Spurenelementen. Unser Organismus benötigt es nur in geringen Mengen, doch diese sind lebensnotwendig. "Wir können es nicht biosynthetisieren, sondern müssen es über die Ernährung aufnehmen und recyceln", betont Schomburg.
Zu einer Unterversorgung kann es vor allem in Regionen mit besonders selenarmen Böden kommen, allerdings auch bei einer rein vegetarischen oder veganen Ernährung. Auch Schwangerschaft, Stillen, Entzündungsreaktionen und schwere Erkrankungen können den Selenbedarf steigern.
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts galt das seltene Halbmetall als Giftstoff. Dann entdeckten US-amerikanische Forscher in den 1950er Jahren, dass Selen ein Bestandteil vieler körpereigener Proteine ist. Heute weiß man, dass viele Stoffwechselvorgänge im Körper nur mithilfe dieses Spurenelements richtig ablaufen können. Bei vielen Gesundheitsthemen hat Selen eine schützende Funktion, erklärt Schomburg. "Nicht als Element, sondern nach dem Einbau in Selenoproteine." Zahlreiche Signalwege und Zellfunktionen sind von einer ausreichend guten Selenversorgung abhängig.
Wie Studien zeigen, erhöht eine unzureichende Versorgung das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. So zeigt eine im "British Journal of Nutrition" publizierte Arbeit mit knapp 20.000 Probanden, deren Daten aus der US-Bevölkerungsstudie NHANES III stammen, dass gerade bei Diabetikern ein besserer Selenstatus mit weniger kardiovaskulären Ereignissen assoziiert ist. Eine schwedische Studie mit über 4.000 gesunden Teilnehmern über einen Zeitraum von neun Jahren untersuchte die Bedeutung des Selenstatus für kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität, zum Beispiel aufgrund eines Herzinfarktes. Es zeigte sich, dass Menschen, die zum niedrigsten Fünftel des Selenstatus der Bevölkerung gehören, ein fast doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und dadurch bedingten frühezeitigen Tod hatten, skizziert Schomburg.
Chance bei Hashimoto
Ihm zufolge stellen Selenserumwerte von kleiner als 70 Mikrogramm pro Liter einen Risikofaktor dar. Durch eine verbesserte Ernährung - Meeresfrüchte, Fisch, Ei, Milch, Fleisch, Pilze wie Steinpilz oder Nüsse wie Paranüsse - oder geeignete Supplemente ließe sich das Risiko reduzieren.
Laut dem Mediziner stellt ein starker Selenmangel auch einen Risikofaktor für Autoimmunerkrankungen dar. Diesen Rückschluss zieht er aufgrund bereits vorliegender Studien, wiewohl die Studienlage insgesamt noch dünn sei. Derzeit befinden sich zwei große dänische Studien in der Auswertung, die sich auf die Schilddrüsen-Erkrankungen Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow beziehen. Hier wird sich zeigen, ob der Selenstatus nur ein Risikofaktor für diese Autoimmunerkrankungen ist, oder auch für die erfolgreiche Therapie von Bedeutung ist, worauf kleinere Studien schon lange hindeuten.
Eine groß angelegte, bereits abgeschlossene, multizentrische Studie zum Mortalitätsrisiko bei Covid-19 in sechs europäischen Ländern hat gezeigt, dass ein guter Selen- und auch Zinkstatus mit der höchsten Überlebenschance assoziiert war. Derzeit wird deshalb auch untersucht, ob beide Spurenelemente - sowohl Selen als auch Zink - ebenso für die Folgeprobleme wie Long-Covid von Relevanz sind. Es bleibt spannend.