Causa Hypo: Dass der größte Bankraub der Zweiten Republik keinen politisch Verantwortlichen hinter Gitter bringt, ist dem Wähler nicht vermittelbar.
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Nur selten zuvor mussten sich die politischen Eliten dieser Republik dermaßen herzlos von den Medien am Nasenring durch die Manege zerren lassen. Da schrieben etwa die gemeinhin eher besonnenen "Salzburger Nachrichten" von einer "Republik der Dilettanten", da höhnte der "Standard": "Selten zeigen sich Anlässe, der Regierung Respekt zu zollen." Selbst die stets auf superseriösen Sound bedachte "Neue Zürcher Zeitung" bescheinigte Österreichs Politik kollektive Dysfunktionalität: Das Land brauche "eine Art zweite Aufklärung (. . .) gegen Parteien, Kammern und allzu selbstherrliche Landesfürsten".
Dass aus dem von Kanzler und Vizekanzler beschworenen nationalen Schulterschluss zur Bewältigung der Hypo-Krise vorerst eine Art medialer Schulterschluss gegen die Regierenden wurde, mag man je nach politischem Gusto angemessen finden oder auch nicht - es spiegelt jedenfalls eine Befindlichkeit wider, die breite Teile der Bevölkerung mit einer für hiesige Verhältnisse erstaunlichen Wucht erfasst hat. Selten zuvor war die Wut gegen die politischen Eliten so groß, ballten sich die Fäuste in der Manteltasche der Bürger so zornig zusammen, war das Bedürfnis, es den Politikern einmal so richtig zu zeigen, so ausgeprägt wie in diesen Tagen.
Dass diese Wut der Bürger nicht unbedingt besonders treffsicher ist, zeigt das doch eher befremdliche Faktum, dass ausgerechnet die FPÖ, die Hauptschuldige (wenn auch nicht Alleinverantwortliche) im Hypo-Drama ist, nun von der Staatskrise in den Umfragen am meisten profitiert.
Die Wut hat natürlich viele Ursachen. Eine der wichtigsten dürfte sein, dass ein derart großer Schaden angerichtet werden kann, ohne dass die Verantwortlichen in Scharen im Gefängnis landen. Die Menschen spüren: Sie werden zu Opfern des größten Bankraubes der Zweiten Republik - aber die Täter kommen fast völlig ungeschoren davon. Jörg Haider, der zweifellos am schwersten Belastete, ist tot, seine einstigen politischen Helfershelfer in Kärnten sind weitgehend Geschichte, und die seit der Verstaatlichung der Bank verantwortlichen Bundespolitiker amtieren entweder auch nicht mehr oder beanspruchen, wie die aktuelle Bundesregierung, gar selbst Opferstatus (was übrigens intellektuell eher mutig erscheint).
Das ist für jene Steuerzahler, die am Ende des Tages erheblich zur Kasse gebeten werden, um die Begräbniskosten der Hypo zu finanzieren, eine wenig befriedigende Situation. Den Verweis der Regierung, es seien ohnehin dutzende Strafverfahren anhängig, wird jeder Kenner der österreichischen Justiz-Realverfassung eher als subtile Frotzelei empfinden.
Politiker zumindest in Zukunft für derart monumentale Schadensfälle wie die Hypo strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, sei rechtlich nicht möglich, argumentieren nun Verfassungsjuristen. Politische Fehler könnten schließlich nicht strafbar sein. Das sollten sie aber. Dass ein Politiker Milliarden an Steuergeld verspielt, um danach strafbefreiend auf "Pech gehabt" zu plädieren, werden die Wähler nämlich in Zukunft schlicht und ergreifend nicht mehr hinnehmen.
ortner@wienerzeitung.at