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Seminare zwischen Abkassieren und Seriosität

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Ausgefallene Angebote boomen. | Seriosität ist nur schwer überprüfbar. | Wien. Schweinegrunzen und Furzen sollen die Kreativität fördern. Wer sich damit und mit anderen Geräuschen berieseln lässt, dem verspricht Werner Rauchenwald neue Blickwinkel und Lösungsansätze für scheinbar unlösbare Probleme. Der Wirtschafts- und Persönlichkeitscoach nennt die von ihm entwickelte Methode "Brainsurfing".


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"Die eigentliche Innovation liegt im Soundperturbator", erzählt er über die von ihm produzierte CD, die den Hörer mit ungewöhnlichen Geräuschen berieselt. Dadurch würden Manager ihr Vorstellungsvermögen verbessern, ist Rauchenwald überzeugt.

Mit seinem ausgefallenen Angebot steht er nicht alleine da. Bei Ernst Balthasar Scheid schlüpfen Führungskräfte in die Rolle von Indianerhäuptlingen und spielen eine indianische Ratsversammlung nach. Die Teilnehmer verteilen sich auf die acht Himmelsrichtungen und beurteilen von dort aus ein zentrales Problem. Dabei steht jede Himmelsrichtung für eine Eigenschaft - etwa für Kreativität. "Es geht darum, möglichst viele Blickwinkel zu haben", so Scheid.

Konkurrenz ist groß

Auf solchen und ähnlichen Ansätzen bauen immer mehr Seminare für Führungskräfte auf. Manager sollen auf einem ausgefallenen Weg ihre Persönlichkeit weiterentwickeln und Probleme lösen. Wer sich dagegen wehrt, wird schnell einmal als engstirnig abgestempelt. Doch was bringen diese Methoden wirklich? Wird hier das Rad nur neu erfunden und die Teilnehmer abgezockt? Schließlich muss man für ein firmeninternes Seminar bei Rauchenwald bis zu 2500 Euro hinblättern. Eine indianische Ratsversammlung kostet 1200 Euro pro Tag.

"Mir kommt vor, es ist schon vieles gesagt und niedergeschrieben worden", meint Christian Gehrer, Geschäftsführer des Managementclubs. Er vermutet, dass einige Seminaranbieter versuchen, sich mit ausgefallenen Angeboten von der Konkurrenz abzuheben. Denn die Konkurrenz in der Beraterbranche ist groß, weiß Gehrer. "Immer mehr Leute trauen sich zu, andere zu beraten", findet er.

Bei dem Boom sei es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Dennoch glaubt der Geschäftsführer, dass es unter den ungewöhnlichen Angeboten auch viele seriöse gibt.

Diese Meinung teilt auch Andreas Rath. Er ist Geschäftsführer von Brains and Games, einem Anbieter von erlebnisorientiertem Training. Wer dabei an Quadfahren oder Fallschirmspringen denkt, liegt falsch. Im Vordergrund der Trainings steht der Prozess. Durch die körperlichen Übungen soll lediglich das Lernen erleichtert werden. Rath legt viel Wert darauf, sich von reinen Event-Anbietern abzuheben.

"Es gibt eine große Schar an Event-Anbietern, die die Übungen gut drauf haben, aber den Prozess nicht beherrschen", weiß er. Das findet er grundsätzlich nicht schlimm. Gefährlich werde es nur, wenn diese Anbieter etwas versprechen, was sie nicht halten können, wie zum Beispiel eine Veränderung des Kundenverhaltens.

Auftragsklärung wichtig

Rath hält deshalb die Auftragsklärung für enorm wichtig. Auch der Management-Geschäftsführer Gehrer rät dringend zu einem Vorgespräch mit dem Anbieter, "damit das Ziel geklärt wird". Außerdem könne man hier abtesten, wie gut sich der Anbieter auf das Unternehmen vorbereitet hat und wie sehr er gewillt ist, auf die individuellen Wünsche des Auftraggebers einzugehen.

Gehrer ist überzeugt, dass man in manchen Fällen gar nicht erst hunderte Euro für ein Seminar hinblättern muss, um gewisse Effekte zu erzielen. So könnte beispielsweise auch eine Bergtour mit allen Mitarbeitern das Unternehmen zusammenschweißen. Über den Seminaranbieter soll man sich jedenfalls Informationen einholen, meint Gehrer. Er hält Mundpropaganda für die verlässlichste Quelle.

Thomas Lutz, Microsoft Österreich-Sprecher, hält es "sicher für sinnvoll, die ausgetretenen Pfade zu verlassen", sich also auch auf unkonventionelle Methoden einzulassen - "insbesondere in der kreativen Phase des Sondierens von Entscheidungsalternativen". Allerdings komme es dabei sehr auf die Art der anstehenden Entscheidung an. Nicht alle Probleme seien für eine ausgefallene Problembehandlung geeignet .

Dass Rauchenwalds "Brainstorming"-Methode Anklang findet, bestätigt zumindest Josef Steiner, Leiter der Personalentwicklung beim MAN Konzern. Mehr als 20 Seminare habe man bereits bei Rauchenwald zu vollster Zufriedenheit gebucht. Das Ergebnis laut Steiner: "Man denkt öfter bewusst nach."