Auch ein Jahr nach Therapieende | sind keine Aidsviren nachweisbar.
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Wien/Atlanta. Eine HIV-Sensationsmeldung beherrscht seit Montag die Medienlandschaft. Erstmals scheint es US-Medizinern gelungen zu sein, die Virenanzahl eines infizierten Babys so weit zu reduzieren, dass das Immunsystem sie künftig selbst ohne weitere Behandlung kontrollieren kann. Ob das einer Heilung gleichzusetzen ist, wird derzeit diskutiert und gilt abzuwarten.
Die Vorgangsweise im Körper können die Wissenschafter noch nicht nachvollziehen, handelt es sich bei dem kleinen Mädchen doch um eine äußerst "ungewöhnliche Einzelbeobachtung", wie auch der österreichische HIV-Spezialist Norbert Vetter vom Otto-Wagner-Spital im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betonte.
Das heute zweieinhalbjährige Mädchen war im Juli 2010 fünf Wochen zu früh zur Welt gekommen. Schon 30 Stunden nach der Geburt hatten die Ärzte der University of Mississippi Medical School in Jackson den Säugling mit drei Standard-HIV-Medikamenten behandelt. Die infizierte Mutter hatte den Erreger bei der Geburt auf ihr Kind übertragen. Schon nach einem Monat dieser antiretroviralen Therapie hätten sich die Aids-Erreger im Blut nicht mehr messen lassen. Die Mediziner vermuten, dass durch die sehr frühzeitige Behandlung die Entstehung von Virenreservoirs, die für ein Wiederausbrechen der Krankheit verantwortlich sind, verhindert werden konnte. Nach 18 Monaten Therapie war die Mutter mit dem Mädchen einige Monate lang aus nicht bekannten Gründen der Klinik ferngeblieben. In der Zeit waren dem Kind von der Mutter keine Medikamente verabreicht worden. Ein Jahr danach ist der HIV-Test nach wie vor negativ.
Nachbeobachtung zu kurz
Die Ärzte fanden weder HI-Viren, noch verräterische Antikörper oder schlummernde Aids-Erreger. Erst bei der Suche nach dem Erbgut des Virus wurden die Forscher fündig. Doch die Menge liegt nur knapp über der Nachweisgrenze.
Für gewöhnlich ziehen sich die HI-Viren im Zuge einer Behandlung in sogenannte Reservoire, etwa in den Lymphknoten oder im Gehirn, zurück. Setzt ein Patient die Therapie ab, werden die Viren auch im Blut wieder nachweisbar, erklärt Vetter. Die Nachbeobachtungszeit bei dem Mädchen sei noch zu kurz, der aktuelle Zustand aber doch "ungewöhnlich".
Auf jeden Fall warnen die Mediziner HIV-infizierte Eltern vor einem Nachahmeffekt. Es sei nicht angebracht, die Therapie bei ihren Kindern auszusetzen, um herauszufinden, ob das Virus zurückkommt. Dies könne die Gefahr erhöhen, dass der Erreger gegen die Medikamente resistent werde und schwieriger zu behandeln sei. Die Forscher suchen jetzt allerdings nach Wegen, in klinischen Studien den Erfolg bei anderen Kindern wiederholen zu können.
Mit Richtlinien auf null
Norbert Vetter führt auf jeden Fall fünf wichtige Punkte an, die zum Wohle der Neugeborenen zu berücksichtigen sind. Jede Schwangere muss über ihren HIV-Status Bescheid wissen. Bei einem positiven Befund muss die werdende Mutter, um eine Übertragung im Uterus zu vermeiden, während der Schwangerschaft mit antiretroviralen Medikamenten behandelt werden - jedoch auch während der Geburt. In weiterer Folge muss auch das Neugeborene einer Therapie unterzogen werden. Fünftens: Die Mutter darf ihr Kind nicht stillen.
"Wenn diese Richtlinien eingehalten werden, darf es kein HIV-infiziertes Kind mehr geben", betont Vetter. Derzeit kommt ein Drittel der Kinder von HIV-Infizierten mit der Erkrankung zur Welt. Mit einer konsequenten Therapie und einem adäquaten Management während der Geburt könne diese Zahl auf null gesenkt werden, so der Experte.