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Sepp V.

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Blatter mit Schimpf und Schande ins Exil? Das wird’s wohl nicht spielen. Und selbst wenn: Die Planeten stehen ihm offen.


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Was reimt sich auf Sepp? Nepp? Nein, das kann’s nicht sein angesichts dessen, wie viel Gutes die Fifa und ihr oberster Gebieter für jene Länder tun, die dank ihrer Gnaden Weltmeisterschaften ausrichten dürfen, und welch Entwicklungshilfe auch in strukturschwachen Regionen geleistet wird. Man kann das zwar auch anders sehen, aber gut.

Dann doch vielleicht lieber den Anfangsbuchstaben von Sepp mit "D" ersetzen? Das wäre vielleicht für böse Zungen naheliegend angesichts der Meinungsflexibilität und Phantasien von Joseph, vulgo Sepp, Blatter, der sich 2015 anschickt, in seine fünfte Amtszeit als Fifa-Chef zu gehen. Immerhin überraschte der 78-Jährige die Delegierten auf dem Kongress, auf dem er seine Wiederkandidatur ankündigte, mit seiner Unterstützung für den Video-Beweis, den er bisher kategorisch abgelehnt hatte. Eine ähnliche Kehrtwende hatte er schon vor einigen Jahren vollzogen, als es um die Torlinientechnologie ging. Aber bitte, man kann seine Meinung ja auch ändern. Und das war längst noch nicht alles, was Blatter dieser Tage von sich gab, denn, wenn die Ziele der Fifa auf der Erde eines Tages erreicht sein werden, könnte man ja auch einen interplanetaren Fußball-Bewerb austragen, hatte er am Rande der WM schon erklärt. Nun gut, man muss nicht alles ernst nehmen, aber bei Blatter weiß man halt nie. Und man sollte den Teufel tun, den guten Mann zu unterschätzen. Nein, also Depp ist er sicher keiner. Vielleicht ein bisschen schrullig, vielleicht nicht ganz so uneigennützig, wie er sich gerne darstellt, aber in erster Linie ein gewiefter Taktiker, dem selten die Argumente (welcher Art auch immer) ausgehen. Wie sonst hätte er es geschafft, sämtliche Widersacher mit der Unterstützung seiner Getreuen - eben jenen, die in seiner Ära profitiert haben, und da ist nicht einmal Ironie dabei - elegant vom Spielfeld der Mächtigen zu kicken? Wie sonst hätte er den drohenden Putsch einiger europäischer Rebellen auch jetzt abwenden können, um als sportpolitischer Sieger vom Kongress in São Paulo gehen zu können? Obwohl die Fifa angesichts der erdrückenden Indizienlage in Sachen WM in Katar vielleicht in der größten Krise ihrer Geschichte steckt und die Rufe nach Erneuerung unter einem neuen Regenten immer größer werden, dürfte die angesagte Revolution auch diesmal nicht stattfinden. Denn wie auch immer die Ermittlungsergebnisse von Michael Garcia ausfallen werden, Blatter hat wenig zu befürchten. Stattdessen wird er selbst bei eindeutigen Korruptionsbelegen die Schuld bei anderen - darunter Widersacher Michel Platini - suchen. Im kommenden Jahr dürfte er viel eher als Sepp V. in die Fußball-Annalen eingehen, anstatt ins Exil gejagt zu werden. Und selbst wenn: Es bleiben ja noch einige andere Planeten.