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Serbien: Cvetkovic führt Kabinett, Tadic regiert

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Europaarchiv

Neue Regierung hat gute Aussichten auf Erfolg. | Belgrad. Die neue serbische Regierung umfasst 27 Mitglieder aus sieben Parteien und ist das zweitgrößte Kabinett seit der Einführung des Mehrparteiensystems vor 17 Jahren. Stärkste Kraft ist die DS, die prowestliche Demokratische Partei von Staatspräsident Boris Tadic. Die DS stellt elf Minister; dazu zählen Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Justizminister. Zweitstärkste Kraft in der Regierung ist die Wirtschaftspartei G17-Plus; sie stellt sieben Minister und kontrolliert vor allem Wirtschaft und Finanzen.


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Zum ersten Mal seit dem Sturz von Slobodan Milosevic in der Regierung ist die Sozialistische Partei (SPS). Sie hat vier Minister; hinzu kommen vier Kleinparteien mit je einem Regierungsmitglied. SPS-Vorsitzender Ivica Dacic ist zugleich erster stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister; die wichtigsten Funktionen der Polizei und den Chef des Inlandsgeheimdienstes wird jedoch die DS stellen. Sie entschloss sich zur Zusammenarbeit mit der SPS, weil die nationalkonservative Partei des bisherigen Regierungschefs Vojislav Kostunica jede weitere EU-Annäherung ablehnt, seitdem die Mehrheit der EU-Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hat.

Die Regierung definiert sich als sozial-verantwortliches Kabinett, das sich besonders für Pensionisten und Arbeitslose einsetzen will. Erstes Ziel ist es jedoch, Serbien so rasch wie möglich an die EU heranzuführen. So sagte der neue Ministerpräsident Mirko Cvetkovic in seiner Regierungserklärung, Serbien solle binnen vier Jahren für den EU-Beitritt reif gemacht werden. Ausdrücklich betonte Cvetkovic, dass Belgrad die Unabhängigkeit des Kosovo niemals anerkennen werde.

Knappe Mehrheit

Weniger eindeutig war er bei der Grundvoraussetzung für die EU-Annäherung, bei der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Das Wort "Tribunal" kam in der Regierungserklärung nicht vor; stattdessen sagte Cvetkovic, Serbien werde seine internationalen rechtlichen Verpflichtungen erfüllen. Dass die Sozialisten einer Auslieferung des meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrechers, Ratko Mladic, zustimmen werden, gilt in Belgrad als sicher. Fraglicher ist, wie diese große Regierung funktionieren wird, die im Parlament nur über die knappe Mehrheit von 128 von 250 Sitzen verfügt. Erpressungen kleinerer Koalitionspartner dürften zum täglichen Brot der Kabinettsarbeit werden.

Offen ist auch, in welchem Ausmaß Cvetkovic das Kabinett wird führen können. Der 58-Jährige gilt als Wirtschaftsexperte und war Finanzminister. Als Premier wird er der DS von Präsident Tadic zugerechnet; über Einfluss in der Partei verfügt Cvetkovic nicht. Somit ist nun Boris Tadic der eigentlich starke Mann in Serbien, der die Hauptverantwortung dafür trägt, dass diese "Kohabitation" funktioniert und die Regierung die versprochenen Reformen umsetzt. An sich stehen die Chancen dafür gut.