Wien sieht Konsens unter Mitgliedstaaten, dem Balkanland den Status eines Beitrittskandidaten zu geben.
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Brüssel/Belgrad/Pristina. Zum Schluss waren es nur noch zwei. Doch auch diese Länder sollten ihre Skepsis überwinden. So konnte der österreichische Außenminister Michael Spindelegger gut gelaunt berichten, dass sich unter den EU-Staaten ein Konsens abzeichne, Serbien den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu geben. Zwar hatten Litauen und Rumänien noch Bedenken, doch nach Spindeleggers Einschätzung dürften auch diese rechtzeitig vor dem Minister-Beschluss ausgeräumt werden. Dieser steht heute, Dienstag, in Brüssel auf dem Programm, und nur wenige Tage später sollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen ihr Placet dazu geben.
Österreich war nicht unwesentlich daran beteiligt, die anderen EU-Staaten davon zu überzeugen, ihre ablehnende Haltung vom Dezember zu ändern. Damals, kurz nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Kosovo, wurde Serbien der Kandidatenstatus noch verwehrt. Belgrad müsse seine Beziehungen zum - von ihm als Staat nicht anerkannten - Nachbarn verbessern, hieß es.
Das ist aus österreichischer Sicht spätestens seit Ende der vergangenen Woche der Fall, als sich Serben und Kosovaren auf weitere Maßnahmen zur Zusammenarbeit einigten. Nur kurz zuvor hatte die Regierung in Wien gemeinsam mit jenen in Paris und Rom in einem Brief an die Europäische Kommission für eine weitere Annäherung Serbiens an die EU geworben. Da waren noch fünf, sechs Staaten skeptisch, unter anderem Deutschland.
Doch auch die Regierung in Berlin räumte ein, dass der Dialog zwischen Belgrad und Pristina zuletzt "an Dynamik gewonnen" hätte. Euphorischer drückte es Spindelegger aus: Es habe Fortschritte gegeben, auf die im Dezember kaum jemand zu hoffen gewagt habe. Diese müssten nun anerkannt werden.
Abgesehen von diesem Lob ändert der Kandidatenstatus für Serbien aber zunächst nicht viel. Wann die Beitrittsverhandlungen mit der EU aufgenommen werden können, bleibt nämlich weiterhin offen. Diplomaten rechnen nicht damit, dass noch heuer ein Datum für den Beginn der Gespräche genannt wird.
Zwist um Pläne für Abkommen mit Kosovo
Ungelöst bleibt auch der Konflikt im Norden des Kosovo, wo die Serben die Autorität Pristinas nicht anerkennen wollen - und umgekehrt auch der Einfluss Belgrads an seine Grenzen stößt. Der Zwist ist nicht nur für Serbien, sondern auch für den Kosovo eine Hürde bei der Annäherung an die EU. Dennoch will die Union ebenso an Pristina ein Signal senden, dass es eine europäische Perspektive für das Land gibt. Immerhin ist der Kosovo mittlerweile die einzige ex-jugoslawische Teilrepublik, deren Bürger bei Reisen in die EU noch immer Visa brauchen. Österreich wünscht sich daher einen Zeitrahmen für die Abschaffung des Visazwangs.
Außerdem empfiehlt die Europäische Kommission, zu überprüfen, ob mit dem Kosovo Gespräche über ein Annäherungsabkommen gestartet werden können. Dieser Vertrag gilt als eine Vorstufe zu Beitrittsverhandlungen. Gegen die von Brüssel vorgeschlagene Machbarkeitsstudie, die die EU-Minister ebenfalls beschließen wollten, gab es aber bis zuletzt Widerstand unter den Ländern. Denn fünf von ihnen erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo gar nicht an. Und Zypern, das als geteilte Insel selbst mit Abspaltungsversuchen zu kämpfen hat, war bis zuletzt gegen das Zugeständnis an Pristina.
Doch auch im Kosovo selbst sind nicht alle mit der Politik einverstanden, die die Regierung gegenüber der EU und Serbien einschlägt. So fanden sich am Montag hunderte Anhänger der Oppositionsbewegung Vetevendosje (Selbstbestimmung) vor dem Regierungsgebäude ein, um gegen die serbisch-kosovarische Einigung von der Vorwoche zu protestieren.
Der Verständigung zufolge darf der Kosovo künftig unter diesem Namen bei regionalen Foren auftreten und auch Handelsabkommen beispielsweise unterschreiben. Doch ist die Bezeichnung mit einer Fußnote versehen, die klarmacht, dass Serbien die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz nicht anerkennt. Mit dem Einverständnis dazu habe die kosovarische Regierung das Land verraten, fanden die Kritiker in Pristina - und forderten: "Weg mit der Fußnote!"