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Serbien stellte vor kurzem einen Beitrittsantrag zur EU und aktivierte damit das ihm durch den Europäischen Rat bereits im Juni 2003 eingeräumte Anwartschaftsrecht.
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Nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon zum 1. Dezember 2009 stellte Serbien am 22. Dezember als erster Staat nach Artikel 49 EU-Vertrag (EUV) einen Beitrittsantrag zur neuen EU, die gemäß Artikel 1 Absatz 3 EUV an die Stelle der bisherigen Europäischen Gemeinschaft (EG) getreten und deren Rechtsnachfolgerin ist.
Dem Antrag wurde ein von der serbischen Regierung angenommenes Memorandum beigelegt, das ein Bekenntnis zur europäischen Ausrichtung der serbischen Politik enthält. Serbien werde zwar nicht auf die wichtigen nationalen Ziele - gemeint ist damit vor allem die Wahrung der Gebietseinheit, unter Einschluss des Kosovo - verzichten, sein Einsatz werde jedoch immer demokratisch sein.
Wenige Tage zuvor hatte die EU die Visumspflicht auch für serbische Staatsangehörige aufgehoben, und Anfang Dezember war ein Freihandelsabkommen zwischen der EG und Serbien in Kraft getreten.
Bisher noch nicht umgesetzt werden konnte allerdings das im April 2008 zwischen der EG und Serbien abgeschlossene Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen, das von den Niederlanden bisher blockiert wurde, da der ehemalige General der bosnischen Serben, Ratko Mladic, noch nicht an das Haager Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien ausgeliefert wurde. Mladic gilt als der Hauptverantwortliche für das größte Massaker seit dem Zweiten Weltkrieg in Srebrenica im Jahre 1995 mit über 8000 zivilen Opfern.
Hindernisse
Der serbische Präsident Boris Tadic nannte anlässlich der Überreichung des Beitrittsgesuches als zeitliche Zielvorstellung für die endgültige Aufnahme Serbiens in die EU das Jahr 2014.
Der EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hingegen erwähnte als zeitliche Perspektive dafür "das kommende Jahrzehnt", und der schwedische Ratspräsident Reinfeldt wies auf die noch bestehenden mannigfachen Hindernisse hin.
Neben den noch nicht vollendeten innerstaatlichen Reformen in einer Reihe von Rechtsbereichen gilt es, noch einige bilaterale völkerrechtliche Probleme zu lösen, wie zum Beispiel Grenzkonflikte, Flüchtlingsfragen, anhängige zwischenstaatliche (Schieds-) Verfahren, Fragen doppelter Staatsbürgerschaft etc.
Neben der Auslieferung der beiden serbischen (Haupt-)Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Goran Hadzic an das Haager Tribunal wird aber der Streit um den völkerrechtlichen Status des Kosovo ohne Zweifel das größte Hindernis in den zukünftigen Beitrittsverhandlungen darstellen.
Nachdem das kosovarische Volk bereits 1991 in einem Referendum mit einer Mehrheit von fast 90 Prozent die Eigenstaatlichkeit gefordert hatte, erfolgte am 17. Februar 2008 die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien.
Die am Tag danach vom Rat der EU gezogene Schlussfolgerung, dass der Kosovo ein "sui generis"-Fall sei und daher auch einer einzigartigen Lösung bedürfe, hat dazu geführt, dass sich das (Anerkennungs-)Verhalten der 27 EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich darstellt. Bisher haben erst 22 Mitgliedstaaten den Kosovo als souveränen Staat anerkannt, Spanien, Griechenland, Zypern, die Slowakei und Rumänien lehnen eine Anerkennung aber ab und betrachten die Abspaltung des Kosovos als illegale Sezession von Serbien. Vor allem Spanien und Zypern fürchten, dass der Kosovo zum Präzedenzfall für eigene separatistische Bewegungen werden könnte.