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Serbiens neue Koalition in der Zielgeraden

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Europaarchiv

Drei inkohärente Parteien feilschen um die Aufteilung der Pfründe.


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Belgrad. Nun ist es offiziell: Staatspräsident Tomislav Nikolic (Fortschrittspartei) hat am Donnerstag den Vorsitzenden der Sozialistischen Partei (SPS), Ivica Dacic, offiziell mit der Regierungsbildung in Serbien beauftragt. Damit wurde eine Wende offiziell, die sich bereits abzeichnete. Dacic und sein Wahlbündnis kehrten dem bisherigen "strategischen Partner", der Demokratischen Partei (DS) und Boris Tadic den Rücken. Tadic und seine DS haben damit von ihrer umfassenden Machtfülle vor den Wahlen im Mai das meiste verloren: das Präsidentenamt und die Führung der Regierung; an der Macht bleibt die DS nur in Belgrad und wohl auch in der Voivodina. Den Grund für den Schwenk erläuterte Ivica Dacic ganz klar: warum jemand anderem den Posten des Regierungschefs überlassen, wenn man selbst Regierungschef sein kann. Dieses Angebot wollte ihm die DS nicht machen, die Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Nikolic und die Partei der Regionen (URS) war jedoch dazu bereit - und der ehemalige Pressesprecher von Slobodan Milosevic griff zu.

Formell hat Ivica Dacic nun bis Anfang September Zeit, eine Regierung zu bilden. Gelingt ihm das nicht, und ernennt Nikolic bis dahin auch keinen anderen Mandatar, dann käme es in Serbien zur Auflösung des Parlaments, doch dazu wird es kaum kommen. Denn Dacic und sein Wahlblock werden wohl recht rasch eine Machtaufteilung mit SNS und URS vereinbaren. Wie, darum geht es jetzt bei den Koalitionsgesprächen; verhandelt wird nicht nur über Ministerposten, sondern, was noch viel wichtiger ist, um die Übernahme der Kontrolle in staatlichen und staatsnahen Firmen und Unternehmen - von der Post über den Mobilfunkanbieter bis hin zum Staatsfernsehen. Wahrscheinlich ist, dass die drei neuen Partner auch auf Regional- und Gemeindeebene Bündnisse bilden werden. Dabei geht es vor allem um die Neuverteilung der Ämter und Pfründe, die bisher Tadics Demokraten innehatten und die ihr nun verloren gehen. Der Löwenanteil wird wohl der SNS zufallen, während URS wiederum starke Ansprüche auf wirtschaftliche Ressorts erheben dürfte. Interessant ist in dem Zusammenhang, wer Außen- und Verteidigungsminister wird: Der bisherige Außenminister Vuk Jeremic war eher als Nationalist bekannt; dagegen galt Dragan Sutanovac als Verteidigungsminister als eindeutig prowestlich, und daher wird die Ausrichtung seines Nachfolgers sicherlich auch ein Hinweis für die weitere Orientierung der neuen serbischen Regierung sein.

Die größte Herausforderung bildet jedoch die katastrophale soziale und wirtschaftliche Lage. Jeder Vierte ist arbeitslos, und unabhängige serbische Wirtschaftsexperten haben jüngst ein Einfrieren von Löhnen und Pensionen im öffentlichen Sektor sowie eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf 22 Prozent gefordert. Diese Maßnahmen haben die meisten Parteien abgelehnt, und eine konsistente Wirtschafts- und Reformpolitik ist auch von der neuen Regierung unter Ivica Davic nicht zu erwarten.

Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners

Dafür gibt es zwei Gründe - ideologische und mathematische. Ideologisch sind vielleicht mit Einschränkungen von Mladan Dinkics URS alle Parteien klar antiliberal. Mathematisch dürften klare Schnitte und harte Maßnahmen kaum eine Mehrheit finden. Denn so wie das Parlament mit mehr als 40 Parteien gleicht auch die Regierung eher einem Flohzirkus. Das Wahlbündnis aus Sozialisten, SNS und URS verfügen im Parlament über 131 von 250 Sitzen; vielleicht dürfte die Mehrheit durch ein, zwei weitere Kleinparteien noch etwas größer werden, doch die Komplexität bleibt.

So hat das Wahlbündnis unter Ivica Dacic drei Partner und insgesamt 44 Mandate; davon entfallen 25 auf die Sozialisten, 12 auf die Pensionistenpartei und 7 auf einen Ortskaiser und Populisten. Die Bewegung der Region (URS) besteht aus etwa acht Regionalkaisern und Splitterparteien, von denen eine bereits das Bündnis verlassen hat, das nun über 15 Sitze verfügt.

Aus drei Partnern besteht auch das Bündnis um die SNS, die ebenfalls auf unberechenbare Rücksicht nehmen muss. Gegen die Pensionistenpartei wird es jedenfalls schwer sein, eine Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds zu treffen, den auch der begnadete Populist Dacic im Wahlkampf zum Feindbild erkor. Hinzu kommt, dass seit diesen Wahlen das Mandat im Parlament ein freies ist, und das wird wohl auch eine Einladung zum Stimmenkauf bedeuten.

Serbien stehen somit vielleicht schon bald eine Regierung, politisch aber weiter unklare und unsichere Zeiten in dieser tiefen Krise bevor.