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Kostunica bleibt Ministerpräsident. | Kabinett stützt sich auf 130 von 250 Stimmen. | Belgrad. In Serbien hat das Parlament in der Nacht auf Mittwoch, im letzten Moment, die neue Regierung bestätigt. Nach den Wahlen im Jänner endete die Frist für die Bildung einer neuen Regierung am Dienstag um Mitternacht. Wäre das Kabinett nicht zustande gekommen, hätte im Juli wieder gewählt werden müssen.
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Die neue Koalition verfügt im Parlament über 130 von insgesamt 250 Stimmen und damit über eine absolute Mehrheit, die nur mit vier Mandaten abgesichert ist. Zählen kann sie aber auch auf Vertreter nationaler Minderheiten und eine pro-europäische Oppositionspartei.
Stärkste Einzelkraft in der Vier-Parteien-Koalition ist die DS, die Demokratische Partei von Staatspräsident Boris Tadic. Sie hat im Parlament 64 Mandate. In der 25 Mitglieder zählenden Regierung hat die DS die Mehrheit; sie stellt den Vizepremier und 12 Minister; dazu zählen die Ressorts Finanzen, Justiz, Verteidigung und Außenpolitik. Außenminister ist der bisherige Tadic-Berater Vuk Jeremic, mit 32 Jahren jüngstes Kabinettsmitglied. Ältestes ist mit 63 Jahren Vojislav Kostunica, der Ministerpräsident bleibt. Sein nationalkonservatives Parteienbündnis besetzt auch den Innenminister.
Diese Position war bei den Koalitionsgesprächen der Zankapfel, weil die DS das Amt beanspruchte. Grund dafür ist der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic.
Vor einem Jahr hat Brüssel Gespräche über eine EU-Annäherung Serbiens aufs Eis gelegt, weil Mladic noch in Freiheit ist. Die Verhandlungen könnten bald wieder aufgenommen werden, weil in der neuen Regierung mit der DS der Einfluss pro-europäischer Kräfte größer ist als bisher.
Trotzdem wird die neue Koalition zunächst klare Vorleistungen erbringen müssen. Diese Botschaft übermittelte auch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der in Belgrad mit der serbischen Führung zusammen getroffen ist: Er erwarte, dass die Regierung rigoros das im Vorjahr angenommene Aktionsprogramm für eine volle Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag umsetzen werde. Der Abschluss der Annäherungsgespräche wird ohne vorherige Verhaftung von Ratko Mladic jedenfalls kaum möglich sein.
Wie intensiv tatsächlich nach Mladic gefahndet wird bleibt abzuwarten. Denn der alte Innenminister ist auch der neue, obwohl Kostunicas Bündnis den Chef der Geheimpolizei verlor; dieses Amt soll ein Parteiloser ausüben, der aber erst bestellt werden muss. Intensiver dürfte nun in den Streitkräften nach Mladic gefahndet werden. Der Verteidigungsminister und der Chef des militärischen Geheimdienstes werden nun von der DS gestellt, die das Kapitel Haager Tribunal so rasch wie möglich schließen will. In seiner Regierungserklärung bezeichnete Kostunica die Zusammenarbeit mit dem Tribunal, die EU-Integration Serbiens und die Verhinderung der Unabhängigkeit des Kosovo als Prioritäten. Doch die Reihung ist umstritten.
Für Tadic und die DS ist die EU wichtigstes Thema, für Kostunica der Kosovo. Kostunica trat in seiner Regierungserklärung denn auch für eine harte Linie gegenüber all jenen Staaten ein, die die Unabhängigkeit der albanisch dominierten Provinz anerkennen sollten. Weit gemäßigter tritt die DS auf, obwohl sie die Abtrennung des Kosovo ebenfalls ablehnt.
Bewährung bei Kosovo
Der Kosovo dürfte somit schon bald zur größten Bewährungsprobe der neuen Regierung werden. Kann sie das Kabinett meistern, könnte die Regierung durchaus stabiler sein als erwartet. Die Angst vor Neuwahlen und einem damit drohenden Sieg der Ultranationalisten sind ein Kitt, der so unterschiedliche Parteien durchaus zusammenhalten kann.