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Serbiens Präsident Vucic ist innenpolitisch unter Druck

Von Martyna Czarnowska

Politik

Massenproteste gegen Waffengewalt und die Regierenden in Belgrad reißen nicht ab. Internationale Rufe nach "Deeskalation" im Nord-Kosovo.


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Sie wollen wieder auf die Straße gehen. Tausende Serbinnen und Serben werden am Samstag bei einer Demonstration in Belgrad erwartet, der fünften in Folge. Erneut werden sie gegen die Waffengewalt im Land protestieren - und gegen die Regierenden. Die Kundgebungen, organisiert von Oppositionsparteien und Aktivisten, reißen seit Anfang Mai nicht ab, als bei zwei Amokläufen 18 Menschen getötet wurden. Die Demonstranten wenden sich auch gegen Präsident Aleksandar Vucic und die nationalistische Regierungspartei SNS, die Vucic noch bis vor kurzem geführt hat. Sie werfen dem Staatschef einen autokratischen Führungsstil vor und fordern den Rücktritt des Präsidenten sowie mehrerer Minister.

Die Politiker werden dafür verantwortlich gemacht, dass sie nicht zuletzt durch aggressive Rhetorik eine Atmosphäre anheizen, die zu Gewalt führen kann. Dass sie diese glorifizieren, wird auch zwei regierungsnahen Fernsehsendern vorgeworfen, deren Schließung die Demonstranten ebenfalls fordern.

Die Maßnahmen, die nach den Amokläufen ergriffen wurden, scheinen den Menschen jedenfalls zu wenig. So wurde eine einmonatige Amnestie für all jene erlassen, die ihre unregistrierten Waffen den Behörden übergeben. Damit wurden zwar tausende Pistolen und Gewehre eingesammelt, doch ist noch ein Vielfaches davon im Umlauf. Die Rate an Waffenbesitzern gehört in Serbien nämlich zu den höchsten weltweit: Ungefähr auf jeden dritten Einwohner kommt eine Waffe.

Zwist mit Kosovo

Es ist nicht das erste Mal, dass Vucic innenpolitisch unter Druck kommt. Während der Corona-Pandemie gab es ebenfalls Massenproteste, die die Polizei dann brutal auflöste. Dennoch wurde der Präsident bei den Wahlen im Vorjahr bestätigt. Erst am Wochenende gab er den SNS-Vorsitz ab; sein Nachfolger an der Parteispitze wurde sein Vertrauter, Verteidigungsminister Milos Vucevic. Der Unmut in Teilen der Bevölkerung blieb aber und manifestiert sich nun wieder.

Währenddessen verweist Vucic lieber auf die Situation im Nord-Kosovo mit seiner serbischen Bevölkerungsmehrheit. Dort geht das Ringen um die Einsetzung von Bürgermeistern weiter. Aus den Lokalwahlen im April, die die Serben boykottiert haben, gingen albanische Kandidaten als Sieger hervor. Bei ihrem Versuch, ihre Posten zu übernehmen, kam es Anfang der Woche zu Zusammenstößen zwischen serbischen Nationalisten und Kfor-Soldaten.

Aufrufe zur "Deeskalation" folgten darauf aus Brüssel, Berlin und Washington. US-Außenminister Antony Blinken erneuerte sie am Donnerstag beim Moldau-Gipfel in der Nähe von Chisinau.

Vucic breitete dort seine Idee für eine Lösung aus: Die neu gewählten Bürgermeister im Nord-Kosovo sollten einfach wieder abgesetzt werden. Der kosovarische Premierminister Albin Kurti erteilte dem prompt eine Absage.

Die Präsidentin des Kosovo, Vjosa Osmani, appellierte bei dem Gipfeltreffen an Serbien, seine Aktivitäten zur Destabilisierung des Nachbarlandes einzustellen. Belgrad wird vorgeworfen, den Separatismus im Nord-Kosovo zu schüren, unter anderem durch die politische und finanzielle Unterstützung von Parallelstrukturen. Serbien erkennt die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz bis heute nicht an.