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Serbiens starker Mann

Von WZ-Korrespondentin Marijana Miljkovic

Politik

Vucic verspricht viel: Mehr Arbeitsplätze und eine Restrukturierung der Wirtschaft.


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Belgrad. "Ich bin der Einzige, der sagen darf, dass der Kaiser nackt ist", sagt Dragan Djilas in einem Zeitungsinterview. Als "Kaiser" titulierte der Spitzenkandidat der Demokratischen Partei (DS) den Chef der Fortschrittspartei SNS, Aleksandar Vucic - und Djilas hat als einziger Parteichef, der nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag im Serbien mit dem Einzug ins Parlament rechnen kann, eine Zusammenarbeit mit Vucic ausgeschlossen. Djilas muss laut Umfragen aber ohnehin mit einer vernichtenden Wahlniederlage rechnen. Vucic überstrahlt alles. Der 44-jährige Vizepremier gilt als sicherer Gewinner der Wahl, die Ende Jänner auf seine Initiative hin ausgeschrieben wurde. Er könnte gar die absolute Mehrheit im Parlament erreichen - was angesichts des Reformbedarfs der serbischen Wirtschaft nicht hinderlich wäre.

Das für 2014 errechnete Budgetdefizit liegt bei 7,1 Prozent des BIP. Serbien muss sein Budget für das laufende Jahr revidieren, um mit Krediten der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds rechnen zu können. In dem Land, das im Jänner Beitrittsverhandlungen mit der EU begonnen hat, ist jeder Vierte ohne Arbeit. Investitionen, die Arbeitsplätze bringen könnten, blieben aus. Dafür stieg die Beschäftigung im öffentlichen Sektor trotz Aufnahmestopps. Die Misere will Vucic ändern. "Mit aller Kraft Reformen umsetzen", lautet einer seiner Slogans. Die Regierung steckte unmittelbar vor Ausschreibung des Wahltermins zwar mitten im Reformprozess, dieser wurde jedoch wegen Widerständen des Regierungspartners SPS (Sozialistische Partei Serbiens) und Premier Ivica Dacic auf Eis gelegt. Vucic argumentierte, dass er deswegen gezwungen war, in vorgezogene Wahlen zu gehen.

Riesige Vorhaben

Auch nach einem Wahlsieg wird es der potenzielle Premier Vucic nicht leicht haben - zieht er tatsächlich die 21 Gesetzesänderungen bis zum Sommer durch, die er angekündigt hat, bleibt kein Stein auf dem anderen. Allen voran die Änderung des Arbeitsgesetzes, das Kündigungen erleichtern soll, wird unweigerlich einen Anstieg der Arbeitslosigkeit bewirken. Vucic sagt in Medien zwar: "Wir können nicht mehr ausgeben als wir verdienen", auf Wahlveranstaltungen verspricht er jedoch, sowohl Arbeitsplätze zu schaffen, als auch die Wirtschaft zu restrukturieren. Beides zugleich geht jedoch nicht, zumindest nicht kurzfristig, warnen Ökonomen.

Bei unpopulären Maßnahmen, die bei echten Reformen zweifellos auf Serbien zukommen, kann sich Vucic jedoch der Unterstützung der Medien sicher sein. Diese hatten ihn auch bei seinem Kampf gegen Tycoons, namentlich den reichsten Serben Miroslav Miskovic, unterstützt. Dessen Verhaftung, die Vucic bereits im Vorfeld angekündigt hatte, brachte ihm breite Zustimmung in der Bevölkerung. Vucic, der unter Slobodan Milosevic Informationsminister war, damals als Mitglied des Radikalen Partei SRS des Ultranationalisten Vojislav Seselj, lenke nicht nur die Medien, sondern besitze zumindest zwei von ihnen auch, erfährt man in Belgrad. Vucic bestritt das.

Über das Privatleben des mittlerweile gemäßigten, pro-europäischen Juristen weiß man wenig. Dass er im Dezember zum zweiten Mal geheiratet hatte, konnte die Öffentlichkeit etwa nur aus ausländischen Medien erfahren. Vucic habe den serbischen Medien verboten, über seine Hochzeit zu berichten, schrieb damals die kroatische Zeitung "Jutarnji list".

In den Zeitungen angekündigt hatte Vucic hingegen auch, dass der mutmaßliche, derzeit flüchtige Drogenbaron Darko Saric verhaftet werde. Der langjährige Polizei- und jetzige Premierminister Dacic musste sich wegen eines angeblichen Naheverhältnisses zu Sarics Clan rechtfertigen. Deshalb erstaunen Meinungsumfragen, die Dacic Platz zwei bei der Wahl bescheinigen.

Vucic hat im Gegensatz zur Regierungsbildung 2012 diesmal eine breite Auswahl an Koalitionspartnern. Denn fast alle Parteien sind bereit, mit dem "Kaiser" zusammenzuarbeiten.