Vogelgrippe: Zellkultur kann im Ernstfall Zeit sparen. | Nur der Erreger selbst muss noch hinzugefügt werden. | Frankfurt/Main. (ap) Um die Folgen eines weltweiten Grippeausbruchs zu bekämpfen, hat die moderne Medizin für den Ernstfall viele Mittel bereit. In den ersten Monaten nach dem Ausbruch sollen vor allem antivirale Medikamente die schlimmsten Symptome lindern. Zugleich wird ein Impfstoff entwickelt. Zumindest in den Industriestaaten in Europa und Amerika sind die Vorbereitungen weit vorangeschritten. Immerhin ist eine Grippe-Pandemie statistisch gesehen schon Jahre überfällig.
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Laut Weltgesundheitsorganisation wird es innerhalb der kommenden drei Jahre so viel Kapazität für die Impfstoffproduktion geben, dass bei einer Pandemie alle Bewohner versorgt sind. Dafür sind 4,5 Milliarden Impfdosen nötig. Zwei Milliarden Menschen in ärmeren Ländern haben nach jetzigem Stand keinen Zugang zu Impfstoffen.
Grippeviren sind aber tückisch: Sie vermehren und verändern sich extrem schnell. Ein heute wirksamer Impfstoff kann innerhalb von Monaten nutzlos werden. Zudem weiß noch niemand, wie der Erreger aussehen wird. Einen echten Impfstoff zu produzieren, ist deshalb unmöglich. Allerdings sind bereits zwei Prototypen zugelassen: Focetria des Schweizer Konzerns Novartis und Daronrix von GlaxoSmithKline aus England.
Dabei handelt es sich um Rezepte für einen Impfstoff, denen im Pandemiefall noch eine letzte Zutat hinzugefügt werden muss: der Erreger. Zurzeit verbreitet das extrem aggressive Vogelgrippevirus H5N1 Schrecken. Experten befürchten, dass sich H5N1 so verändern könnte, dass sich Menschen gegenseitig anstecken können. Würde der Erreger dabei so aggressiv sein wie jetzt, könnte es viele Todesopfer geben.
H5N1 ist vor allem eine Tierseuche, auch wenn sie vereinzelt Menschen gefährlich werden kann. Bislang wurden gut 200 Todesopfer weltweit gezählt. Ob es H5N1 jemals schafft, sich an den Menschen anzupassen, ist nicht klar.
Die nächste Pandemie könnte auch vom Virenstamm H2N2 ausgelöst werden, 1957 für die Asiatische Grippe verantwortlich. "Für große Teile der Bevölkerung wäre das ein ganz neues Virus. Ihr Immunsystem ist nicht geschult", sagt die Sprecherin des für Impfstoffe zuständigen PaulEhrlich-Institutes, Susanne Stöcker. Die beiden zugelassenen Prototypen könnten auch für andere Erreger als H5N1 genutzt werden.
Experten hoffen, dass die erste Welle einer neuen Pandemie wie im Jahr 1918 bei der Spanischen Grippe eher mild verläuft, um so Zeit zu gewinnen. Damals starben in den ersten Monaten noch wenige Menschen. Dann flaute die Grippe ab und kam im Herbst mit voller Wucht und einer extrem hohen Todesrate.
Heute könnten in den ersten Monaten die antiviralen Medikamente Tamiflu und Relenza viele Leben retten. Denn selbst mit den neuen Prototypen ist die Herstellung eines Impfstoffes sehr aufwendig. Um die Produktion überhaupt beginnen zu können, muss zunächst ein Saatvirus gezüchtet werden.
Geringe Produktionszeit
Besonders problematisch wird es, wenn der Erreger aus dem Tierreich stammt. Weil Impfstoffe mit Hilfe von Hühnereiern entwickelt werden, müsste man dieses Virus erst abschwächen. Andernfalls würde der Hühnerembryo umkommen.
Die Firma Novartis Behring kann Grippeimpfstoff bereits mit Hilfe von Zellkulturen herstellen. So entfällt die aufwendige Beschaffung von Hühnereiern. Außerdem enthält dieser Stoff keine Antibiotika und kann auch Menschen mit Allergie gegen Hühnereiweiß gespritzt werden. Der wichtigste Vorteil: Dank der neuen Technik könnte die Produktionszeit von vier bis sechs auf zwei bis drei Monate halbiert werden.
Siehe auchDossier Vogelgrippe