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Sex, Lügen und Video

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik
Bo Xilai inszeniert sich als Opfer einer Liebesaffäre und weist sämtliche Beschuldigungen weit von sich.
© China Central Television

China: Urteilsverkündung erst frühestens Ende der Woche erwartet.


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Peking. So sehr sich der Vorsitzende Richter Wang Xuguang in den vergangenen Tagen auch bemühte, den Angeklagten Bo Xilai verbal einzubremsen - es sollte ihm nicht gelingen. Der entmachtete chinesische Spitzenpolitiker, der sich wegen Korruption und Machtmissbrauch verantworten musste, leugnete bis zum Schluss beinahe alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe - und dies dermaßen couragiert, dass aus den zwei ursprünglich anberaumten Prozesstagen im ostchinesischen Jinan schließlich fünf wurden.

An die richterliche Aufforderung, sich "zivilisiert, rational und fair" zu verhalten, hielt er sich indessen selten. Als er mit einer Videoaufnahme seiner inhaftierten Frau Gu Kailai konfrontiert wurde, verglich er sie kurzerhand mit Jing Ke, einem gescheiterten Attentäter aus der chinesischen Geschichte, und sagte: "Sie ist nun mal verrückt und erzählt oft Lügen. Die Ermittler haben riesigen Druck auf sie ausgeübt, um mich bloßzustellen."

Noch viel schärfer attackierte der überzeugte Kommunist Bo seinen früheren "Superbullen" Wang Lijun. Als Polizeichef von Chongqing hatte dieser seinen Chef im Februar 2012 mit dem Mordverdacht gegen seine Frau konfrontiert, die den britischen Geschäftsmann Neil Heywood vergiftet hatte. Aus Angst flüchtete Wang in das US-Konsulat, nachdem ihn Bo vor versammelter Mannschaft geohrfeigt und entlassen hatte: "Ich hatte Blut im Mund", klagte der Zeuge am Wochenende im Gerichtssaal, woraufhin er von Bo umgehend als "Lügner" beschimpft wurde. Es sei lediglich eine Ohrfeige gewesen, zu mehr körperlicher Gewalt sei er gar nicht fähig. Er hätte viele Gründe gehabt, Wang zu feuern, unter anderem auch deshalb, da dieser eine "verbotene Beziehung" zu seiner Frau gehabt hätte. Seine Aussage sei daher nicht zuletzt aufgrund seines "schlechten Charakters" nichts wert.

Nur in wenigen Punkten räumte der in Ungnade gefallene frühere Top-Kader eine Teilschuld ein. Zwar machte er seine Frau für verschwundene fünf Millionen Yuan (610.000 Euro) bei einem Bauprojekt verantwortlich, gab jedoch zu, dass er sich besser um den Verbleib des Geldes hätte kümmern müssen: "Das waren schließlich Staatsgelder." Außerdem gestand er ein, seine Frau betrogen zu haben - weswegen er freilich nicht auf der Anklagebank saß.

Unterhose von der Mama aus den 1960ern

Stattdessen wies Bo sämtliche Korruptionsvorwürfe weit von sich und gab unter anderem an, von den Zahlungen und Geschenken eines chinesischen Geschäftsmannes für seinen Sohn Guagua nichts gewusst zu haben: "Nicht einmal der dümmste Beamte würde so etwas machen." Zum Beweis für seine Sparsamkeit musste schließlich sogar seine Unterhose herhalten, die ihm seine Mutter in den 1960er Jahren gekauft haben soll.

Weniger zum Lachen fand dies freilich die Staatsanwaltschaft, die in der Öffentlichkeit nicht gut wegkommt und von Rechtsexperten selbst in China vereinzelt als "amateurhaft" kritisiert wurde.

Verbrechen "äußerst schwerwiegend"

In ihrem Schlussplädoyer bezeichnete sie die verhandelten Verbrechen als "äußerst schwerwiegend" und forderte eine harte Strafe, da keine mildernden Umstände erkennbar gewesen seien. Der Angeklagte hätte sich nicht voll schuldig bekannt und ließe jede Form von Reue vermissen. Dem 64-Jährigen drohen zwischen 15 Jahren und lebenslanger Haft, das Urteil dürfte jedoch erst Anfang September verkündet werden. Chinas Staatsmedien verurteilten den gefallenen Top-Kader bereits als "arrogant", "tyrannisch" und "heuchlerisch", außerdem hätte er keinen Respekt vor dem Gericht gezeigt.

Immerhin: Beim letzten großen Schauprozess Chinas gegen die "Viererbande" 1980 hatte Maos Witwe Jiang Qing der Richterin noch ein kerniges "Schlampe" ins Gesicht gezischt.