Lima - "Vladivideos" nennen die Peruaner die tägliche Reality-Soap-Opera, die aus dem reichen Fundus schöpft, die der ehemalige Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos hinterlassen hat. Auf tausenden Videokassetten ist belegt, wie der enge Vertraute des nach Japan geflüchteten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori die Spitzen der peruanischen Gesellschaft ein Jahrzehnt lang bestochen und bespitzelt hat. Vor den am 8. April stattfindenden Präsidentenwahlen können sich die Peruaner so ein Bild über ihre politische Klasse in den Fujimori-Jahren von 1990 bis 2000 machen.
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Mit mindestens drei Kameras, die in Bildern und einer Wanduhr versteckt waren, hat Montesinos, der auch Fujimoris Rasputin genannt wird, in seinem Büro festgehalten, mit welchen Mitteln - im wahrsten Sinn des Wortes - er die Herrschaft des Präsidenten erkauft hat.
Es war die Veröffentlichung eines solchen Videos, in dem gezeigt wurde, wie Montesinos einen oppositionellen Kongressabgeordneten bestach, die zum Fall des allmächtigen Geheimdienstchefs und in der Folge zum Rückzug und zur Absetzung Fujimoris führte.
Das bisher bekannt gewordene Videomaterial hat zur Verhaftung und Anklage gegen mehr als drei Dutzend Spitzenpolitikern Höchstrichtern und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geführt. Politiker, TV-Stars, Höchstrichter, Armeegenerale und Medienmacher sind die Hauptdarsteller in den pikanten Videos.
Der Kongressabgeordnete Augustin Mantilla etwa, ein Anhänger des früheren Präsidenten Alan Garcia, der unter den Präsidentschaftskandidaten für den 8. April in den Umfragen am dritten Platz liegt, wurde aufgenommen, als er von Montesinos 30.000 Dollar erhielt und dafür versprach, dass er radikale Elemente in seiner Partei unter Kontrolle halten werde.
Der frühere Herausgeber der in Lima erscheinenden Tageszeitung "Expreso" wurde für fujimorifreundliche Berichterstattung mit 2 Mill. Dollar belohnt und ein Mitglied der nationalen Wahlkommission, Romulo Munoz Arce, wurde im November 1998 dabei aufgenommen, wie er 10.000 Dollar und das Versprechen für monatliche 5.000 weitere Dollar erhielt, um Wahleinsprüche der Opposition im Sinne der Regierung zu regeln.
Oberrichter Alipio Montes de Oca ist ebenfalls auf einem "Vladivideo" zu sehen, wie er mit monatlich 10.000 Dollar bestochen werden soll, um Vorsitzender der Nationalen Wahlkommission zu werden. "Und was muss ich tun?" fragt er den Geheimdienstchef. "Nichts. Sitz nur herum und kratz dich an deinen Intimteilen" antwortete ihm Montesinos.
Auf anderen Videos "persönlicher Natur" sollen Sexszenen und Geständnisse von Ehebruch zu sehen sein. Sie sollen der katholischen Kirche übergeben werden.
Die meisten der Videos wurden im Haus der Exfrau von Montesinos beschlagnahmt. Man schätzt aber, dass es noch zahlreiche andere gibt. Fujimori soll bei seiner Abreise im November zu einer Wirtschaftskonferenz in Fernost, von der er nicht mehr nach Peru zurückkehrte, 50 Koffer voll mit belastendem Material mitgenommen haben.
Neben diesen Altlasten aus der Fujimori-Zeit ist auch der laufende Wahlkampf in Peru ein ziemlich schmutziges Geschäft. Oppositionsführer Alejandro Toledo, der im Vorjahr die Wahl gegen Fujimori vermutlich nur aufgrund von Wahlmanipulationen verloren hat und jetzt in den Umfragen mit 36 Prozent in Führung liegt, wurde in den letzten Tagen beschuldigt, dass bei ihm 1998 Spuren von Kokain und anderen Betäubungsmitteln festgestellt worden seien. Seine erfolgreichste Mitbewerberin um das Präsidentenamt, die frühere Abgeordnete der konservativen Christlichen Volkspartei, Lourdes Flores, die nach den Umfragen bei 26 Prozent liegt, meinte daraufhin, dass Drogenabhängige für das höchste Staatsamt nicht geeignet seien. Toledo wiederholte seine frühere Darstellung, dass er 1998 vom Geheimdienst entführt, unter Drogen gesetzt und in kompromittierenden Situationen mit Frauen gefilmt worden sei. Dieses Video ist bis jetzt noch nicht aufgetaucht. Toledo wird auch vorgeworfen eine 13-jährige uneheliche Tochter zu haben, was er jedoch strikt bestreitet. Toledo wiederum wirft Flores vor, die neue Repräsentantin des "Fujimontesinismo", des korrupten Machsystems der beiden geflüchteten, einst mächtigsten Männer des Landes zu sein.