Unsern Politikern fehlt das Heroische, Geheimnisvolle, Verführerische. Und das ist, ganz ohne Zweifel, auch gut so.
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Als innenpolitischem Redakteur kommen einem ja nur selten lobende Worte über die Lippen; zumindest, wenn keine taktischen Hintergedanken im Spiel sind. Aber das stoische Desinteresse einer schreibenden Mehrheit am Sex unserer Mächtigen ist doch irgendwie beeindruckend.
Und sage jetzt keiner, dass die intimen Verhältnisse von Machtlosen ohnehin niemanden interessieren. Der Spruch mag als Kalauer durchgehen, als rationale Erklärung für die hiesige mediale Abstinenz reicht er selbstredend nicht. Sonst müsste schließlich, soll der Gedanke konsequent zu Ende verfolgt werden, jegliche seriöse Berichterstattung über die politischen Vorgänge zwischen Neusiedler- und Bodensee einstellt werden . . .
Aber zurück zum Thema Sex & Politik, das hierzulande keinen zu interessieren scheint. An den moralischen Standards dürfte eine einschlägige Berichterstattung dabei eher nicht scheitern, zumindest ist davon in anderen Bereichen, die der journalistischen Sorgfaltspflicht unterliegen, wenig zu spüren. Die - bis dato - konsequente Weigerung, die Schlafzimmer der Politiker auszuspähen, muss daher andere Gründe haben.
Womöglich hängt es damit zusammen, dass wir uns angewöhnt haben - nicht zuletzt durch die tägliche Praxis -, uns alle Politik nackt, von keiner wie auch immer gearteten Aura verhüllt, vorzustellen. Also quasi Politik, wie der Mensch sie schafft: meist bieder, kleingeistig, jedem geistigen Höhenflug abhold. Für alles Heroische, Geheimnisvolle, womöglich sogar Verführerische bleibt da naturgemäß kein Platz. Ein Tummelplatz für die Reichen und Schönen schaut entsprechend anders aus. Nur Jörg Haider war auch in diesem Punkt die ewige Ausnahme von allen Regeln, in seinem Fall mit Schieflage zum Diabolischen. Sein Intimleben blieb dennoch weitgehend tabu. Dass das bei Thomas Klestil nicht der Fall war, ist eine andere Geschichte.
Abgesehen von Haiders Extravaganz gilt hierzulande die Selbststilisierung als Marathonläufer als höchste Stufe eines für die politische Symbolik tauglichen Körperkults. Das dabei sehr wohl mitschwingende Versprechen von Ausdauerkraft hat allerdings eine denkbare asexuelle Konnotation, denkt man dabei doch eher an die Leiden und die Einsamkeit des passionierten Langstreckenläufers. Obwohl: Hat nicht auch David Petraeus, der gefallene General und CIA-Chef, seine Muse zum gemeinsamen Dauerlauf verführt? Wahrscheinlich hat bei ihm die Uniform die besondere Wirkung ausgemacht. Politische Macht in Uniform ist dagegen in Österreich, historisch bedingt, eine Kombination mit Seltenheitswert.
Vom Umstand, dass der "Sex unserer Mächtigen" keine Titelseiten bespielt, sollte man sich allerdings nicht zu dem Schluss verleiten lassen, dass das Privatleben gewählter Politiker zwangsläufig tabu zu sein hat. Kleine, gerne auch größere Vorteilsnahmen auf Kosten der Allgemeinheit sind schließlich auch im andernfalls diskreten Österreich wohlbekannt. Und da ist es quasi unvermeidlich zu wissen, wer so mit wem wie verbandelt ist. Und rasend interessant ist es noch dazu.