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Sexueller Missbrauch in der Kirche: Wenn Frauen zu Tätern werden

Von Michael Schmölzer

Analysen

Der Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern in katholischen Einrichtungen hat mittlerweile ungeahnte Ausmaße erreicht. Wie die niederländische Zeitung "De Telegraaf" berichtet, befinden sich unter den mutmaßlichen Tätern jetzt erstmals auch Nonnen. Diese sollen sich, so die Zeitung, an in ihrer Obhut befindlichen Buben vergangen haben.


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Diese verstörenden, für viele unglaubwürdigen Verdachtsmomente verdienen eine genauere Betrachtung. Dass Nonnen - im krassen Gegensatz zum landläufig vorhandenen mütterlich-fürsorglichen Frauenbild - sadistische Verhaltensweisen an den Tag legen können, ist dokumentiert. Im deutschen Kloster Lehmen etwa haben Nonnen laut Aussagen von Ex-Zöglingen Heimkinder dazu gezwungen, Erbrochenes aufzuessen. Auch sollen Schüler mit Stockschlägen in den Unterleib bestraft worden sein. Das alles ereignete sich um 1960, ist also schon lange Vergangenheit, die Täterinnen sind mittlerweile alle verstorben.

Dass Klosterschwestern auch zu sexuellen Übergriffen fähig sind, bestätigt Richard Picker, Psychotherapeut und Theologe in Wien. Diese Fälle seien seiner Erfahrung nach aber nicht besonders zahlreich, gewöhnlich seien es immer noch männliche Kleriker, die sich an Buben vergreifen. Schon aus der Geschichte sei aber bekannt, dass in der großbürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts sogenannte "pflegende Dienstbotinnen" in ihrer Obhut befindliche Buben masturbiert hätten. Die Wiener Traumatherapeutin Regina Lackner bestätigt, dass noch heute von Frauen ausgehende sexuelle Übergriffe oft im Zusammenhang mit Körperpflege stünden. Etwa zehn Prozent aller sexuellen Übergriffe würden von Frauen begangen, schätzt Lackner.

Der Missbrauch, so Picker, beginne an dem Punkt, wo eine (Kloster)-Frau ihren Schützling benutze, um sich selbst sexuell zu stimulieren. Das Opfer könne dabei - etwa wenn es sich um Masturbation handelt - durchaus auch Lustgefühle empfinden, allerdings werde das Kind zu früh sexuell aktiviert, werde überfordert und "emotional hin- und hergebeutelt". Das Opfer könne diese Erfahrungen häufig im Erwachsenenalter nicht abschütteln, leide unter "inneren Bildern", was etwa das Eingehen von funktionierenden Partnerschaften erschwere bis verunmögliche.

Nicht selten, so Picker, würden in Klöstern auch Frauen Opfer weiblicher Gewalt. Er spricht von einer "lesbischen Hackordnung", die sich in vielen derartigen Kircheneinrichtungen etabliert habe. Äbtissinnen bekämen Macht zugespielt, diese würden sie auskosten. Was dann entstehe, sei eine fatale Gruppendynamik.