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Sharif-Partei in Opposition

Von WZ-Korrespondent Agnes Tandler

Politik

Neun Minister zurückgetreten. | Streit über Umgang mit Musharraf. | Neu Delhi. Neun Ministersessel im pakistanischen Kabinett bleiben jetzt erst einmal leer. Weil sich die Regierungskoalition in Islamabad nicht auf die Wiedereinsetzung der von Präsident Pervez Musharraf geschassten Richter einigen konnte, kündigte die Muslimliga-N (PML-N) unter Nawaz Sharif die Zusammenarbeit auf. Zwar lehnte Premier Yousaf Raza Gilani von der Volkspartei PPP die Rücktrittsgesuche ab, die PML-N ließ sich davon aber nicht beeindrucken: "Es macht nichts, ob unsere Rücktritte angenommen werden oder nicht. Wir sind zurückgetreten", erklärte ein hohes Parteimitglied.


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Schon vor sieben Wochen, als die neue Regierung die Arbeit aufnahm, hatten viele sich gefragt, wie lange die beiden früheren Erzrivalen PPP und PML-N miteinander auskommen würden. Schon im Wahlkampf zeichneten sich Differenzen ab. Sharif, der von dem Ex-General 1999 in einem unblutigen Coup als Premierminister abgesetzt wurde, hatte geschworen, nicht eher zu ruhen, bis sein Intimfeind aus dem Präsidentenamt verschwunden ist. PPP-Chef Asif Ali Zardari, der Witwer der ermordeten Parteiführerin Benazir Bhutto, hatte sich stets moderater gegeben.

Die Angst vor dereigenen Vergangenheit

Musharraf hatte im Vorjahr den Ausnahmezustand verhängt und die Richter des Obersten Gerichtshofes abgesetzt, weil er fürchten musste, dass sie seine Wiederwahl als Präsident annullieren würden. Kehrten die Juristen wieder an ihre alte Arbeitsstätte zurück, würden sie vermutlich die Causa Musharraf wieder aufnehmen und den Präsidenten in den Ruhestand schicken. Doch auch für Zardari wäre die Wiedereinsetzung der alten Richterschaft kein Zuckerschlecken. Musharraf hatte ihm und seiner Frau, gegen die beide in Pakistan noch zahlreiche Bestechungsverfahren anhängig waren, eine Amnestie von der Strafverfolgung gewährt. Auch dieses Privileg würden die Richter wohl kippen, würden sie wieder eingesetzt.

So gab es von vorn herein Zweifel, ob sich Zardari und Sharif auf eine gemeinsame Linie im Umgang mit der Richterschaft und dem Präsidenten würden einigen können. Zuletzt wurden die Vorschläge immer absurder: Ein zweiter Verfassungsgerichtshof sollte gegründet werden, um so einerseits die alten Richter wieder zu installieren, ihnen andererseits aber die Kompetenz in Verfassungsfragen zu entziehen.

PolitischerTauschhandel

Der Auszug der PML-N wird zunächst am politischen Kräfteverhältnis wenig ändern. Sharif regiert mit seiner Partei die Punjab-Provinz, die reichste und politisch wichtigste im Lande. Die PPP soll im Parlament in Islamabad weiter unterstützt werden, sofern diese die PML-N im Punjab in Ruhe regieren lässt. Für eine Weile sollte dies reichen, eine Minderheitsregierung der PPP über die Runden zu bringen. Für alle Fälle macht die PPP der Musharraf nahestehenden Muslim-Liga-Q bereits Avancen. Gilani führte bereits am Wochenende Gespräche.

Viele Pakistanis finden ohnehin, dass es wichtigere Themen als den Verbleib der abgesetzten Richter gibt. Das Land stöhnt unter den hohen Nahrungsmittel- und Energiepreisen. Die Inflationsrate stieg im Vormonat auf ein Rekordhoch von 17,2 Prozent. In der Hauptstadt ist das Mehl wieder knapp. Kleine Straßenbäckereien schließen, weil es kein Mehl mehr zu kaufen gibt, um Rotis und Naan, die traditionellen Fladenbrote, zu backen.