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Israels Ministerpräsident Ariel Sharon ist am Montag mit US-Präsident George W. Bush zusammengetroffen. Der Besuch in den USA findet vor dem Hintergrund eines drohenden Wiederaufflammens der Gewalt in den Palästinensergebieten statt. Auch gewaltsame Proteste radikaler jüdischer Siedler gegen den Gaza-Abzugsplan machen Sharon zusehends zu schaffen.
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Der erste Empfang Sharons auf Bushs texanischer Ranch sollte eigentlich ein Schlaglicht auf die Fortschritte im israelisch-palästinensischen Friedensprozess werfen, die die US-Regierung nur zu gerne als Ergebnis ihrer nahöstlichen Demokratisierungsoffensive preist. Die Erschießung dreier palästinensischer Jugendlicher während des Fußballspielens durch die israelische Armee und der anschließende Beschuss jüdischer Siedlungen durch bewaffnete Palästinensergruppen am Wochenende im Gazastreifen hat die Hoffnungen auf einen anhaltenden Waffenstillstand jedoch zunichte gemacht. Zumal Israel am Montag erstmals auch wieder eine Militäroffensive im Westjordanland durchführte. Soldaten rückten am Morgen mit 15 Armeefahrzeugen ins Zentrum von Nablus ein und umstellten mehrere Gebäude mutmaßlicher Aktivisten. Die Einwohner mussten das Viertel verlassen. Die Armee sprach von einem "Routineeinsatz", die palästinensische Seite von einer unnötigen Provokation.
In den Palästinensergebieten herrscht der Verdacht vor, dass der Zeitpunkt für die neu losgetretene Gewaltspirale nicht zufällig gewählt wurde. Sharon habe sich damit die Chance verschafft, bei seiner Begegnung mit Bush statt der umstrittenen israelischen Siedlungspolitik den Anti-Terror-Kampf in den Vordergrund zu stellen. Laut Vorabberichten israelischer Medien dürfte dieses Thema tatsächlich ins Zentrum rücken. Der Premier wolle seinen Gastgeber auf der Ranch in Crawford mit Blick auf die jüngsten Mörserangriffe darauf hinweisen, dass Palästinenserführer Mahmud Abbas seine Versprechen, radikale Palästinensergruppen zu entwaffnen und deren Infrastruktur zu zerschlagen, gebrochen habe. In diese Kerbe schlug gestern auch Finanzminister Netanyahu, der mit einer Großoffensive gegen unliebsame Palästinensergruppen drohte. "Wenn Abbas es nicht selber macht - und bisher hat es keinerlei Anzeichen dafür gegeben - dann werden wir es tun".
"Siedlungs-Stopp"
Bei den gestrigen Gesprächen forderte US-Präsident George W. Bush Israel nachdrücklich auf, den Ausbau jüdischer Siedlungen im besetzten Westjordanland zu stoppen. Bush erhob damit Einspruch gegen das israelische Vorhaben, die nahe Jerusalem gelegene Großsiedlung Maale Adumim um 3500 Häuser zu vergrößern. Die Palästinenserführung warf Bush dennoch Unterstützung der israelischen Siedlungspolitik vor. Bush legitimiere die Siedlungspolitik Israels, hieß es in einer am Montagabend in Ramallah veröffentlichten Erklärung. Die Palästinenser reagierten damit auf Äußerungen Bushs, der es als "unrealistisch" bezeichnet hatte, von Israel die Rückkehr in die Grenzen von 1949 zu erwarten.
Gegen die Räumung des Gazastreifens, die im Juli beginnen soll, hatten am Sonntag vor der Ostjerusalemer Altstadt mehrere jüdische Ultraradikale demonstriert. Mitglieder der Bewegung Revava hatten einen demonstrativen Besuch auf dem heiligen Tempelberg geplant, die Regierung ließ dies jedoch durch den Einsatz von 3.000 Polizisten verhindern. Bei den blutigen Zusammenstößen wurden mehrere Polizisten verletzt; mehr als 20 Israelis wurden verhaftet. Die Organisatoren hatten von einem Probelauf für den Sommer gesprochen, wenn sie die Polizei in Atem halten wollen, um den Gaza-Abzug zu vereiteln. In Israel machen Spekulationen über einen möglichen Bürgerkrieg die Runde.