Israels Ministerpräsident steht wegen des heftigen parteiinternen Widerstands gegen seinen Trennungsplan stark unter Druck. Diesen gegen den Willen der Parteimehrheit - und der ultranationalistischen bzw. ultrareligiösen Koalitionspartner, die sein Vorhaben ebenfalls ablehnen - umzusetzen, wie er es im Vorfeld angedroht hatte, kann er sich nicht leisten. Ein Misstrauensvotum im Parlament würde er kaum überstehen. Sharon kündigte deshalb an, einen modifizierten Plan vorstellen zu wollen. Sollte dieser allerdings zu weit vom bisherigen abweichen, droht sein Koalitionsparnter, die liberal-säkulare Shinui-Partei, die Regierung zu verlassen. Die Arbeiterpartei sieht nur noch einen Ausweg: Neuwahlen.
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Sharons Vorhaben, sämtliche jüdischen Siedlungen im Gazastreifen abzubauen und dafür im Westjordanland die großen Siedlungsblöcke "bis in alle Ewigkeit" zu behalten (und zu annektieren), wurde von der Likud-Basis wie auch von mehreren ultrarechten Likud-Ministern als Verrat an der Idee eines Großisraels verworfen. Daran hat auch die ausdrückliche Unterstützung seitens der US-Regierung nichts geändert. Sharon, der Mitte Mai in die USA reisen will und dort voraussichtlich erneut Präsident George W. Bush treffen wird, muss sich nun darum bemühen, seine Partei für einen neuen Rückzugsplan zu gewinnen, dessen Details wohl noch nicht feststehen.
Sharon versprach denn auch, sich hinsichtlich des weiteren Vorgehens mit den Likud-Ministern, den Abgeordneten sowie anderen politischen Parteien zu koordinieren und das Ergebnis der Abstimmung zu akzeptieren. Rätselhaft blieb, was er mit seiner anschließenden Aussage, dass nun harte Entscheidungen im Parlament anstünden, "die die Zukunft von uns allen beeinflussen werden", konkret meinte.
Die liberale Shinui-Partei von Tommy Lapid beschloss jedenfalls in einer eigens einberufenen Sondersitzung schon jetzt, die Regierungskoalition für den Fall zu verlassen, dass der geplante Abzug aus dem Gazastreifen am Widerstand radikaler Elemente im Likud scheitert. Sharon müsse sobald wie möglich einen neuen Plan vorlegen, dessen Grundlinien sich an den ersten anlehnten. Ansonsten sehe die Partei als einzigen Ausweg die Abhaltung von Neuwahlen, hieß es. Mehrere Shinui-Politiker wollten dem Premier gar ein Ultimatum stellen, was Parteichef Tommy Lapid, Justziminister im Kabinett, aber ablehnte.
Neuwahlen ohne wenn und aber forderte am Montag Shimon Peres, der Vorsitzende der Arbeiterpartei. Ein Urnengang sei nach der Niederlage Sharons der einzige Weg, die Umsetzung des Gaza-Abzugsplans dennoch zu gewährleisten, den die Israels mehrheitlich befürworten, betonte er während einer Sitzung seiner Arbeitspartei. Es könne ja wohl nicht sein, dass eine Minderheit von 50.000 siedlerhörigen Likud-Mitgliedern die Zukunft von Millionen Israelis and Palästinensern bestimmt. "Wir müssen die Initiative übernehmen", so Peres.