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Niederländisches Gericht gab aber dem Konzern in den meisten Punkten recht.
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Den Haag. "Ich bin sehr glücklich. Das Urteil erlaubt mir, meine Schulden zurückzuzahlen", erklärte Friday Alfred Akpan am Mittwoch. Der 52-jährige Vater von zwölf Kindern aus Ikot Ada Udo im Niger-Delta ist der einzige Nigerianer, der im Haager Verfahren gegen den Ölmulti Shell vom Gericht Schadenersatz für seinen Einkommensverlust zugesprochen bekommen hat. Die Höhe ist allerdings noch offen. "Das Ölleck hat alle 47 Fischteiche in der Gegend beschädigt, jeden Fisch getötet" und damit Fischerei und Akpans Lebensunterhalt unmöglich gemacht - und zwar nicht nur seinen: Laut Experten könnten jetzt alle Fischer aus dem Dorf ebenfalls Schadenersatz von Shell Nigeria anstrengen.
Akpans Landsmann Eric Dooh aus der Gemeinde Goi, der mit drei anderen Fischern ebenfalls geklagt hatte, ist jedoch vor dem Haager Gericht abgeblitzt. Das liegt an den unterschiedlichen Voraussetzungen. In Akpans Heimatdorf gab es eine Ölbohranlage. "Viele Schächte führten hinunter, kleine Kinder konnten den Deckel aufheben, in der Nacht war es vollkommen unbewacht", erklärt Everett Hassing von "Friends of the Earth", jener Nichtregierungsorganisation, die die Nigerianer unterstützt hat. "Die anderen Kläger stammen aus Orten, in denen zwar Öllecks zu einer großen Verwüstung geführt haben, aber die Pipelines im Boden vergraben waren. Das Gericht war der Meinung, damit habe Shell genug getan, um Sabotage durch Dritte zu verhindern. Wir sind natürlich anderer Meinung", sagte Hassing zur "Wiener Zeitung". Und: "Wir werden berufen."
In der viel beachteten Klage, die 2008 eingebracht wurde, ging es darum, ob Royal Dutch Shell für Öllecks in Nigeria verantwortlich gemacht werden kann. Die Position von Shell war, wenig überraschend: Nein. Erstens würden die Lecks durch Sabotage der Bevölkerung verursacht, die für den eigenen Gebrauch Erdöl abzwacke. Zweitens sei - wenn überhaupt - nicht Shell verantwortlich, sondern vielmehr die 100-prozentige Tochter Shell Nigeria oder, genauer, Shell Petroleum Development Company of Nigeria Limited.
Mutterkonzern nicht für Tochter verantwortlich
Das Gericht in Den Haag folgte der Darstellung des niederländisch-britischen Ölriesen größtenteils: Die Konzernmutter sei nicht verantwortlich für die Handlungen ihrer nigerianischen Tochter - laut Geert Ritsema von "Friends of the Earth" eine Fehlentscheidung. Die Organisation will ihre Kampagne fortsetzen, um Spenden für die Prozesskosten zu akquirieren.
"Uns hat man den Zugang zu Beweismitteln verwehrt, die belegen könnten, dass Royal Dutch Shell die täglichen Geschäfte der nigerianischen Tochter kontrolliert", beschwerte sich Ritsema. "Unser Rechtsystem ist offenbar so arrangiert, dass eine Gesellschaft den Profit einer ausländischen Tochterfirma ernten kann, aber für den Schaden, der durch diesen Profit entstanden ist, kann man sie nicht verantwortlich machen."
Dass der Prozess überhaupt in Den Haag verhandelt wurde, galt als Sensation: Betroffene aus einem Entwicklungsland wandten sich damit nicht an Gerichte in ihrer Heimat, sondern klagten einen Konzern in seinem Headquarter, in diesem Fall Den Haag.
Die Kläger machten geltend, dass Shell nicht in ordentliche Sicherheitssysteme investiert habe, die in anderen - vor allem in entwickelten - Ländern gang und gäbe seien. Stattdessen habe man in Kauf genommen, dass Erdöl aus den Pipelines auslief - Sabotage hin oder her, auch wenn "Friends of the Earth" glaubt, dass es vor allem an der schlechten Instandhaltung lag: "Es kann nicht sein, dass ein Ölgigant 7000 Kilometer lange Pipelines ungeschützt und unbewacht in einer nicht entwickelten und politisch instabilen Region betreibt."
Immerhin aber wurde die Klage für Friday Akpan gewonnen. Ein Gerichtshof in Nigeria hätte nie so entschieden, meint Ritsema. Und das Urteil gebe vielen anderen Menschen in Entwicklungsländern Hoffnung, sich an den transnationalen Konzernen ein bisschen schadlos halten zu können.