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Japans Premier ist für die Kernkraft, die First Lady macht sich für den Ausstieg stark.
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Tokio. "Nach der nuklearen Krise von Fukushima bin ich zur Überzeugung gelangt, dass Menschen (die Atomkraft) nicht kontrollieren können." Das sagte nicht etwa eine Anti-Atomkraft-Aktivistin Japans zweitgrößter Zeitung "Asahi", sondern First Lady Akie Abe. Sie ist seit mehr als 25 Jahren mit Shinzo Abe verheiratet, der seit seinem Amtsantritt als Premierminister vor gut 100 Tagen wiederholt erklärt hatte, die Atomkraftwerke im Land wieder hochfahren zu wollen, sobald die Regulierungsbehörde ihre Sicherheit bestätigt.
Die Wiederinbetriebnahme der Meiler ist in Japan nach wie vor ein heiß diskutiertes Thema. Seit Sommer 2012 ruhen in Japan alle Reaktoren bis auf zwei. Die Handelsbilanz leidet seither unter hohen Kosten für die Einfuhr fossiler Brennstoffe. Mehrere Energieversorger haben bereits mit Preiserhöhungen reagiert oder stehen unmittelbar vor diesem Schritt. Und die Industrie warnt vor wirtschaftlichen Nachteilen und Jobverlust bei einem Ausstieg aus der Atomkraft.
Sie wolle sich nicht in die Politik einmischen, ihre Meinung sei nicht relevant, sagt Akie Abe häufig in Interviews. Und doch tut sie es mit Aussagen, die Abes industriefreundlichen Liberaldemokraten (LDP) zuwiderlaufen: "Wenn Sie die Stadt Tomioka in der Präfektur Fukushima besuchen und sehen, dass dort niemand wohnt, und wenn Sie hören, was Kinder und alte Leute sagen, die dort einmal lebten, dann muss man einfach denken, dass Atomkraft gegebenenfalls durch alternative Energien ersetzt werden sollte. Ich glaube, das würde jeder denken." Tatsächlich befürworten mittlerweile zwei Drittel der Japaner den Atomausstieg. Akie Abes "grüne" Meinung kommt nicht von ungefähr. Nach dem Ende der ersten ruhmlosen Amtszeit ihres acht Jahre älteren Mannes 2007 wurde die quirlige Frau Ökobäuerin, zeigt sich so auf ihrem Facebook-Konto, wo sie auch hin und wieder Bilder des lachenden oder schlafenden Shinzo postet.
Kleine Schritte zur Wende
Ihre Pflichten als Politikergattin hielten sie auch nicht davon ab, mit Tetsunari Iida einen Oppositionsvertreter zu einem Energie-Seminar einzuladen. Der frühere Nuklearingenieur gründete 1998 das Institute for Sustainable Energy Policies und leitet die grün angehauchte Tomorrow Party of Japan. Iida findet die Energiepolitik der Abe-Regierung und ihre pronukleare Einstellung rückwärtsgewandt. "Ihre Energiepolitik muss scheitern. Sie versuchen, beim alten Schema zu bleiben, trotz des historischen Wandels", sagte er vor kurzem an der Tokioter Temple University. Zwar gebe es aktuell keine "heißen" Anti-AKW-Demonstrationen mehr, doch die Einstellung der Japaner zur "Energie-Demokratie" und zu "Energie-Besitz" habe sich seit Fukushima geändert.
Energiepolitik im 21. Jahrhundert sieht für Iida so aus: Strom wird lokal verteilt, der Markt ist nachfrageorientiert und von erneuerbaren Energien bestimmt. Einen kleinen Erfolg auf dem Weg dorthin kann Iida immerhin schon verbuchen. Ein Einspeisungstarifgesetz für erneuerbare Energie, das sein Institut schon 2000 vorgeschlagen hatte, trat im Juli 2012 in Kraft. Seither boomt die Solarenergie; für Windenergie- und Erdwärme-Kraftwerke gibt es laut Kritikern aber noch zu viele bürokratische Hürden.
Der Wissenschafter und Politiker hofft nun auf eine Revolution von unten. Die Kommunen müssten die Stromerzeugung "in Besitz nehmen". Doch aktuell fehle es an einem ausreichend ausgebauten Stromnetz, vor allem aus politischen Gründen: Japans mächtige Ministerien hätten lange versucht, ihren Einfluss auf die Industrie zu behalten. Doch das rohstoffarme wie energiehungrige Japan kommt um Reformen nicht herum. Am 2. April stimmte das Kabinett einem Gesetzesentwurf zu, die Stromindustrie bis 2016 zu liberalisieren. Während einige Reaktoren nach dem Neustart wohl bis Ende ihrer 40-jährigen Laufzeit am Netz bleiben werden, erscheint ein AKW-Neubau aber unwahrscheinlich. Japan hat auch so genug mit seinem nuklearen Erbe zu tun: 40 Jahre wird die Stilllegung des AKW Fukushima Daiichi noch dauern.
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