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Show der Stellvertreter

Von Gerald Schmickl

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Wer glaubt, die am heutigen Freitagabend mit großem Trara zu Ende gehende Castingshow "Starmania" (20.15 Uhr, ORF 1) habe ihre Zuseher und Fans ausschließlich unter Jugendlichen gefunden, irrt gewaltig. Das lassen schon die sensationellen Quoten in unserem generell nachwuchsarmen Land erahnen, dass dem nicht so sein kann. Aber auf solch statistische Belege bin ich gar nicht angewiesen, da auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, also Menschen um die 40, fast alle zusahen - mehr oder weniger offen eingestanden. Nachdem mich die Vorrunden gelangweilt und bisweilen genervt hatten, bin auch ich die letzten Finalwochen richtig "hineingekippt". Und sei es nur, um mich zu ärgern, weil jene, die mir am besten gefielen, stets raus gewählt wurden (beim Voting dürften dann doch die Jungen die Aktiveren sein). Und jedes Mal aufs Neue froh zu sein, mich einem solchen Wettbewerb selbst nicht (mehr) stellen zu müssen (man sähe vermutlich nicht besser aus als die vielen "Leider- nein"-Gescheiterten und, bei dieser Kritik bleibe ich, auf peinliche Weise Vorgeführten).

Diese Form der Identifikation, positiv oder negativ, ist wohl das einzige tiefere Geheimnis dieses weltweit erfolgreichen Formats. Man ertappt sich eben doch dabei, wie man mit den Kandidaten mitfiebert, wie eine feine Schnur zwischen ihnen und einem selbst gespannt ist - und sie als Stellvertreter von uns allen mitten im Auge des Mediums fungieren. Damit ist ein Grad an massenkompatibler Interaktivität erreicht, mit dem in Zeiten von TV-Spezialprogrammen und Spartenkanälen wohl niemand mehr gerechnet hat.