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Orbán provoziert die EU und unterstreicht abermals seine Freundschaft zu Putin.
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Budapest. Inmitten wachsender Sorgen um den Waffenstillstand in der Ostukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin einen Blitzbesuch in Ungarn absolviert. Der Kremlchef nutzte seinen Auftritt mit Ungarns Premier Viktor Orbán, um sein Land als Erdgas-Lieferant anzupreisen. Sein Gastgeber plädierte für eine baldige Regelung der Beziehungen zwischen der EU und Russland. Es sei "unvernünftig", Russland zu "marginalisieren", sagte Orban, dessen Schmusekurs mit Moskau viele EU-Partner befremdet. Es gebe Pläne in der EU , Russland aus dem Energiemarkt auszuschließen. Dies sei "eine Illusion", sagte Orbán. Beide Politiker betonten, sie seien optimistisch, dass nach der Minsker Vereinbarung über einen Waffenstillstand die Gewalt in der Ostukraine beendet werde. Die Verantwortung für die aktuellen Kämpfe in Debalzewo schrieb Putin der Ukraine zu.
Der rechtsnationale Orbán wollte Putin die Chance geben, der Welt zu zeigen, dass er trotz seiner Ukrainepolitik in der EU eben doch noch Freunde hat. Begleitet wurde Putin von einer hundertköpfigen Delegation, zu der Außenminister Sergej Lawrow, Energieminister Alexander Nowak, Gazprom-Chef Alexej Miller und Rosatom-Chef Sergej Kirijenko gehörten. Es war Putins erste Auslandsreise seit Beginn der brüchigen Waffenruhe.
Fünf bilaterale Abkommen wurden unterzeichnet: je eines zur Kooperation im Unterricht- und Gesundheitswesen sowie eines zur Eröffnung eines ungarischen Konsulats in Kasan, Hauptstadt der russischen Republik Tatarstan. Ein weiteres Abkommen regelt die Fortbildung ungarischer Kernkrafttechniker in Russland - wohl mit Blick auf die geplante Erweiterung des ungarischen Atomkraftwerks Paks. Russland will dort zwei Reaktorblöcke bauen. Ein geheimes Abkommen regelt bereits seit Anfang 2014, dass Russland die Baukosten mit einem Darlehen von zehn Milliarden Euro finanziert. Ferner einigten sich Putin und Orban darüber, dass Ungarn nach dem Ende des 20 Jahre alten Erdgas-Liefervertrags mit Russland, der in diesem Jahr ausläuft, weiter Gas bezieht. Es geht um eine Restmenge, die Ungarn dem alten Vertrag zufolge zwar zustand, aber nicht abgezapft hat, weil der Bedarf geringer war als geplant. Diese Menge soll noch bis 2018 ausreichen. Wieviel Ungarn für diese Restmenge bezahlt, soll später geregelt werden. Das Land ist zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig.
Erdgas als Feigenblatt
Orbán war es wichtig, das Erdgas als Schlüsselfrage darzustellen. Am Vorabend des Putin-Besuchs eilte er noch spontan mit seinem Außenminister Peter Szijjartó über die serbische Grenze nach Subotica zu Gesprächen über regionale Energiefragen mit dem serbischen Premier Aleksandar Vucic, die sich nach dem Aus der ursprünglich von Russland durch den Balkan geplanten South-Stream-Pipeline ergeben. Orban und Putin sprachen sich für eine Gastransportlinie über die Türkei nach Europa aus. Ungarns Regierungschef hofft dabei, seine Rolle als Gaslieferant in den Balkan zu verstärken und nach Griechenland auszuweiten. Putin betonte, das Aus für South-Stream sei nicht von Moskau beabsichtigt gewesen, sondern liege allein an den Vorbehalten der EU-Kommission gegen den ursprünglich geplanten Bau durch Bulgarien.
Das Thema Energie kam Orbán gelegen, um den Ungarn die Freundschaft mit Putin schmackhaft zu machen. Denn seinen letzten Wahlsieg im Frühjahr 2014 hat er auch der Senkung der Energiepreise per Verordnung zu verdanken. Vor seinem Amtsantritt 2010 hatte Orbán noch jede Beziehung der damals regierenden Sozial-Liberalen mit Moskau als Verrat bezeichnet. 1989 hatte er auf dem Budapester Heldenplatz als antisowjetischer Redner Aufsehen erregt. Seine Wende um 180 Grad in den Beziehungen zu Moskau ist erklärungsbedürftig gegenüber den Ungarn, die Russland in seinen verschiedenen Erscheinungsformen im Lauf der Geschichte - als Zarenreich und als Sowjetunion - fast nur als Feind kennen.
Putin besucht Sowjet-Denkmal
Putin besuchte auch das sowjetische Kriegerdenkmal am Budapester Friedhof, wo jener sowjetischen Soldaten gedacht wird, die bei der Niederschlagung der antistalinistischen Revolte von 1956 ums Leben kamen. Viele Ungarn stört, dass dieser Aufstand auf dem Monument als "Konterrevolution" bezeichnet wird. Darauf angesprochen sagte Ungarns Außenminister Peter Szijjartó, dazu habe die "Regierung einen anderen Standpunkt" als Russland. Es war der einzige Missklang dieser Visite.
Mit 30 Limousinen brauste die russische Delegation von Helikoptern begleitetet durch die Stadt. Vier Donaubrücken und fast das ganze Stadtzentrum wurden wegen Putin gesperrt. Orbán steht in Europa als Putin-Freund wahrlich nicht allein da. Bulgarien und Serbien sind traditionell Russlandfreunde und wirtschaftlich eng verbunden. Tschechien und die Slowakei kritisieren, ebenso wie Orbán, die Sanktionen gegen Russland. Aber kaum einer der Putinversteher innerhalb der EU hofiert dem Kremlchef ideologisch so stark wie Orbán. In seiner berüchtigten "Illiberalismus"-Rede vergangenen Sommer hatte er Putins Russland als Vorbild bezeichnet.