Vorläufig letzte Chance für die Marktliberalisierung bei Gas und Strom. | EU: Paket zum Klimaschutz ohne Einigung in Gefahr. | Brüssel. Die Nerven liegen blank: Nicht weniger als die Zukunft der europäischen Energiekonzerne soll beim Treffen der Energieminister heute, Freitag, entschieden werden. Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, geht es im Kern um die Frage, ob Konzerne wie Gaz de France, Vattenfall oder der österreichische Verbund ihre Übertragungsnetze bald unter Zwang verkaufen müssen oder nicht.
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Eine große Gruppe von Ländern hinter den Niederlanden und Großbritannien ist dafür, neun Staaten mit Frankreich, Deutschland und Österreich dagegen. Sie wollen lediglich strengere Auflagen, um die Unabhängigkeit der Netzgesellschaft unter dem Konzerndach zu gewährleisten. Können diese zwei Modelle nicht als gleichwertige Optionen im geplanten EU-Gesetz für mehr Wettbewerb und Versorgungssicherheit verankert werden, sei das Energiepaket bis auf weiteres geplatzt, hieß es. Das Land mit dem kommenden EU-Vorsitz, Frankreich, will das Projekt im zweiten Halbjahr 2008 nicht behandeln.
Die EU-Kommission will den Zwangsverkauf und hat den Druck massiv erhöht: Per Strafverfahren der EU-Wettbewerbsbehörde konnten bereits zwei der vier deutschen Energieriesen zum teilweisen Verkauf ihrer Fernleitungen bewogen werden, um die deutsche Position zu schwächen. E.ON gab nach und trennt sich von seinem Hochspannungsnetz und erst vor einigen Tagen einigte sich auch RWE mit Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes: Statt drohender Millionenstrafen wegen Missbrauch einer marktbeherrschenden Position werden die Gaspipelines verkauft.
Dennoch werde die Allianz der neun Zerschlagungsgegner halten, sagen Diplomaten. Sie hat genug Stimmen, um das Paket zu blockieren. Dass britische Kollegen die Luxemburger und die Letten bereits ausscheren sehen, da sie ohnehin Ausnahmeregeln bekommen, wird als unwahrscheinlich zurückgewiesen.
Doch die Kommission warnt: Gebe es keine Einigung auf eine ausreichende Trennung von Netzbetrieb und Energieproduktion, könnten Teile des Klimapakets in sich zusammenstürzen. Denn nur mit ausreichendem Netzzugang hätten Anbieter von Energie aus erneuerbaren Quellen tatsächlich eine Chance.
Fairness ist gefragt
Keine Annäherung gab es indes bei der Lastenteilung unter den Mitgliedsstaaten zur Erreichung des Ziels von 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2020. Eine klare Absage erteilten Deutschland und Österreich beim Umweltministerrat ungarischen Vorschlägen zur völligen Neuberechnung der nationalen Beiträge. Die Grundsätze der ausbalancierten Kommissionsvorschläge seien nicht verhandelbar, sagte der Österreicher Josef Pröll gestern, Donnerstag. Ansonsten werde es niemals eine Lösung geben, lautet die Befürchtung.