Der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, glaubt, dass Europa seinen Zugang zur Krisenbewältigung ändern wird müssen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
John Maynard Keynes sagte einmal, dass Wörter angriffslustig verwendet werden sollten, "weil sie der Angriff der Gedanken auf die Gedankenlosigkeit sind". Das ist ein guter Ausgangspunkt für eine Würdigung von Mervyn King, der bald als Chef der Bank of England in Pension gehen wird. Er ist einer dieser zurückhaltenden Engländer, die einen Raum beherrschen, sobald sie zu sprechen beginnen, mit einem trockenen Humor, der unterhalten, bezaubern und nach Belieben vernichten kann. Ich will nicht vortäuschen, objektiv zu sein: King war mein Wirtschaftsprofessor und später ein langjähriger Freund.
Vorige Woche war King in Washington zu seinen letzten Treffen mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds. Ein Zeichen für seine Bedeutung war ein Dinner ihm zu Ehren in der britischen Botschaft, an dem auch fünf jetztige und frühere Finanzminister, drei Notenbankchefs und zwei hochrangige Währungsfondsbeamte teilnahmen. Anschließend beantwortete King Fragen zum Finanzerdbeben, das die Wirtschaft im letzten Jahrzehnt erschüttert hat.
Die Ereignisse hätten gezeigt, räumte er in einem für einen Notenbankchef bemerkenswerten Zugeständnis ein, dass "bloßer monetärer Anreiz nicht genug sein wird. Er hat zwar Wirkung, aber weniger, als man glauben möchte".
Gute Geldmengenpolitik half, ein Jahrzehnt der Expansion und niedriger Inflation anzuregen, was King einmal als "die netten Jahre" beschrieb. Als die Krise 2008 einsetzte, war Kings erste Reaktion, alles zu lassen, wie es war, und den Sturm zu überstehen. Als King mit der Krise kämpfte, kam er zu dem Schluss, dass die größte Verwundbarkeit des Bankensystems die eigene Zahlungsfähigkeit war. Der Zusammenbruch war nicht nur ein Liquiditätsengpass, das Problem war, dass große Banken weltweit zu wenig Kapital hatten und in vielen Fällen insolvent waren. Um diese Krise der Zahlungsfähigkeit zu bewältigen, drängte King die Banken, ihr Kapital aufzustocken und mehr Regulierung zu akzeptieren. Das stürzte eine Finanzelite, die, wie King sagt, der einzige Sektor der britischen Wirtschaft war, der sich den Umbrüchen der Ära Margaret Thatchers entzogen hatte.
Europa hat auf die Krise mit dem sehr britischen Zugang geantwortet, sich durchzuwurschteln. Das wird nicht funktionieren, prophezeit King. Eine wirkliche Bundesunion zu schaffen, wenngleich das ein großartiges Ziel ist, wird erst in hundert Jahren zu erreichen sein. Der einzige schnelle Weg für die Länder, sich anzupassen, ist der Zusammenbruch der Eurozone. King glaubt, dass die Eurozone die grundlegende Wahl, eine Übergangsunion zu akzeptieren oder die Mitgliedschaft der existierenden Monetärunion zu verändern, ins Auge fassen muss. Sich durchzuwursteln ist keine ernsthafte Option.
Keynes Gabe war es, jenseits der formalen Fragen der Wirtschaft die großen Probleme zu erkennen. Genau das hat auch der scharfsinnige King versucht. Reparieren konnte er die britische Wirtschaft nicht, aber er hat sie verstanden.
Übersetzung: Redaktion