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Sich gegen Unterdrückung wehren

Von Alexia Weiss

Politik

Gedenken an einen verhinderten Genozid. | Wohltätigkeit wird großgeschrieben. | Wien. Wenn zu Winterende kleine Prinzessinnen in die Synagoge kommen, wird Purim gefeiert, ein fröhliches jüdisches Fest, bei dem man sich verkleidet und Erwachsene auch einmal etwas mehr Alkohol als sonst trinken. Gemeinsam freut man sich, dass der erste geplante Genozid an Juden vereitelt wurde. Das biblische Buch Ester überliefert die Purim-Geschichte.


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Demnach wollte Haman, Premierminister des Perserkönigs Achaschwerosch, an einem einzigen Tag alle Juden auslöschen. Doch Königin Esther, selbst Jüdin, konnte ihren Mann Achaschwerosch davon überzeugen, dies zu verhindern: Haman wird samt seinen Gefährten erhängt.

Esthers Cousin und zugleich Vormund war Mordechai. Er hatte sich geweigert, Haman zu verehren - und löste so die Auslöschungspläne Hamans aus. Für den Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister lautet das Grundthema an diesem Feiertag daher, "sich nicht einem Unrechtssystem zu unterwerfen - und seine Identität nicht zu leugnen". Mordechais Weigerung, Haman zu verehren, veranlasste Letzteren zu sagen: "Juden sind rebellisch." Hofmeister betont: "Das war die Ausrufung des ersten Genozids der Geschichte."

Das Buch Esther vermittelt zudem die Botschaft, "dass man sich auf die himmlische Vorsehung verlassen kann und muss". Was allerdings nicht heiße, dass man seine Hände einfach in den Schoß legt und wartet. "Man muss aktiv werden - so wie auch Esther gehandelt und damit das drohende Unheil abgewendet hat", betont der Gemeinderabbiner.

Die fünfjährige Hannah freut sich schon, wenn sie kommenden Samstag Abend beim Purim-Gottesdienst wieder jede Menge Lärm machen darf. Gelesen wird dann, wie auch Sonntag Vormittag, aus dem Buch Esther - und jedes Mal, wenn der Name Haman ausgesprochen wird, drehen die Kinder ihre Ratschen oder schütteln ihre Rasseln. Eigentlich ist im Judentum vorgesehen, den Namen von bösen Menschen erst gar nicht auszusprechen. "Doch ein Vorlesen der Purim-Geschichte ohne Haman zu erwähnen, ist nicht möglich", so Hofmeister.

Mit dem Krachmachen soll verdeutlicht werden, dass Haman böse war - und man sich an seinen Namen nicht mehr erinnern soll. Dafür gibt es im Hebräischen übrigens auch eine Redewendung: "Jemach schemo", was so viel bedeutet wie sein Name soll ausgelöscht werden. Wenn fromme Juden über Adolf Hitler sprechen, fügen sie diese Worte immer an.

Antisemiten nahmen Purim oft als Anlass, Juden des Mordes an Nichtjuden zu bezichtigen. So gipfelte der Tod eines polnischen Kutschers im 18. Jahrhundert in einem Ritualmordprozess. Der Vorwurf: ein Jude, Moschko Beniawitsch, habe den Kutscher Adamko umgebracht, als einen Haman fürs Purimfest. Wie sich herausstellte, war der Mann eines natürlichen Todes gestorben.

Pamphlete heute im Internet

Noch heute geistern Purim-Ritualmordbeschuldigungen durch rechte Internetseiten. Auf der rechtsextremen Internet-Enzyklopädie "Metapedia" wird etwa aus dem "Stürmer" zitiert. Von den einem "seltsamen Fest, das die Juden alljährlich im März feiern", ist da die Rede. "Die Juden feiern es auf ebenso seltsame Art. Sie sind nicht harmlos fröhlich dabei und vergnügt, wie dies bei den Nichtjuden Brauch ist. Sie widmen das Fest nicht der Menschenliebe, wie etwa wir unser Weihnachtsfest. Das Fest der Juden hat den gegenteiligen Sinn. Es ist dem Hass und dem Mord gewidmet. Und dem Fressen und dem Saufen und dem Huren." Einschlägige Seiten bewerben auch die Schrift "Der jüdische Ritualmord" eines Hellmut Schramm.

Tatsächlich ist gerade Purim der Wohltätigkeit gewidmet: "Ein Brauch ist, Bedürftigen einen Geldbetrag zu schenken", sagt Miriam Tenner - und zwar anonym, denn niemand soll beschämt werden. Tenner ist Fundraiserin der Israelitischen Kultusgemeinde und organisiert jährlich zu Purim eine Spendenaktion. "Sich um Bedürftige zu kümmern, ist während des ganzen Jahres Pflicht. Doch zu Purim bekommt diese Unterstützung eine besondere Bedeutung, denn wir zeigen damit, dass wir immer noch als Volk miteinander verbunden sind."

Im Zeichen dieser Verbundenheit schenkt man zu Purim Freunden und Angehörigen sogenannte Mischloach Manot, kleine Geschenke, meist sind es Körbe mit Früchten, Süßigkeiten, Spielzeug, oft überbracht von verkleideten Kindern. Mitunter finden sich darin auch die Haman-

Taschen: dreieckige mit Mohn gefüllte Kekse. Eine Erklärung dafür lautet, dass sich Esther am persischen Hof nur von Samen (wie Mohn) und Hülsenfrüchten ernährt hat, um keine nicht-koscheren Lebensmittel einzunehmen.

Haman-Taschen gehören grundsätzlich zu jedem Purim-Mahl dazu, bei dem es auch etwas ausgelassener zugehen kann. "Was den Alkoholgenuss betrifft, wird im Judentum ja eher Zurückhaltung geübt", so Gemeinderabbiner Hofmeister. "Zu Purim allerdings darf man sich allein wegen des Berauschens betrinken." Getrunken wird Wein, für Kinder gibt es Traubensaft.

Obwohl das Verkleiden an Fasching erinnert, betont Hofmeister, dass Purim "kein Kinderfest" ist. Das Sich-Kostümieren entwickelte sich aus den Purim-Spielen, die zunächst die biblische Geschichte darstellten. Allmählich kamen andere Verkleidungen dazu, heute sieht man bei Purim-Festen auch Dinosaurier, Ritter oder Feuerwehrmänner. An der Zwi Perez Chajes-Schule gab es schon vergangenes Wochenende ein großes Purim-Fest mit Musik, Bastelstation und Hüpfburgen.