Laien verstehen Amtsdeutsch nicht. | "Richter als Kommunikationsgenie". | Innsbruck. Wie hat sich ein Richter gegenüber seinen Klienten eigentlich zu verhalten? Diese Frage steht im Mittelpunkt der derzeit in Innsbruck stattfindenden "Richterwoche - Justiz für die Zukunftsgesellschaft".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Sämtliche Standesvertreter scheinen Franz Kafkas "Der Prozess", in dem ein Unschuldiger die Verworrenheit und Undurchsichtigkeit gerichtlicher Abläufe erlebt, gelesen zu haben. Denn die Unnahbarkeit und Unverständlichkeit des Amtes aufzuheben, ist den anwesenden Richtern ein großes Anliegen: Der Rechtsuchende oder Beklagte hat jedenfalls das Recht zu wissen, worum es geht. "Er hat ja die Entscheidung an uns delegiert", meint ein Richter, man müsse sich an sein Gegenüber anpassen. Auch wenn jemand durch einen Anwalt vertreten wird.
Durch den Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Verhandlung sollte man eigentlich gezwungen sein, verständlich zu bleiben. "Einerseits in einer Sprache reden, die das Gegenüber verstehen kann. Andererseits sich nicht hinter seinem Amt verschanzen: Durchs Reden kommen die Leute z'samm", meint dazu Alois Jung, Präsident des Oberlandesgerichts in Linz und postuliert: "Du musst als Richter ein Kommunikationsgenie sein und Dich jedem in seiner Sprache nähern." Ein klarer Gedanke sei daher auch klar auszudrücken. Der Richter ist nämlich dazu da, Antworten auf Fragen zu geben. Das sei, wenn man so will, eine Service-Leistung. "Ich habe das Gefühl, wir sagen gleich alle, wir sind kein Dienstleistungsbetrieb. Aber das sind wir, schon allein, weil wir kein produzierender Betrieb sind", so Jung. Der Mensch komme zum Richter, um Antworten zu bekommen, und zwar verständliche.
Gewohnte Floskeln sparen Zeit
Bedeutet dies mehr Aufwand? "Ein komplizierter Satz dauert genauso lang wie ein kurzer", behauptet Werner Jarec vom Landesgericht Korneuburg. Die Kollegen protestieren: Man brauche mitunter viel länger, sich prägnant auszudrücken, als sich hinter den gewohnten Floskeln zu verstecken. Man sollte sich Zeit nehmen: Für eine klare Sprache und ein klares Urteil. Das macht in Wahrheit die Qualität eines Richters aus; nicht die rasche Verfahrensabwicklung des Prozesses, erklärt Jarec.
Statistik kann keine Qualität messen
"Aber die Qualität wird nicht überprüft", bedauert Katharina Lehmayer, Richterin des Landesgerichts Linz, "Die Dienstaufsichtsbehörde schaut sich allein die Verfahrensdauer an, und das nur, wenn es zu einer Beschwerde kommt." Es sei Lehmayer zwar bewusst, dass Statistiken mit Zahlen operieren und die Qualität schwer messbar ist: "Ich würde mir aber eine Dienstaufsicht wünschen, die neben der Verfahrensdauer auch dessen Qualität beurteilt." Gerhard Jelinek, Senatspräsident des Oberlandesgerichts Wien, bringt es auf den Punkt: "Wenn ich einen EDV-Spezialisten vor mir habe, weiß ich auch nicht, wovon er redet."