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Nicht nur die Generation Ich-AG weiß ein Lied zu singen von den Schattenseiten der Hyperindividualisierung. Der Zusammenhalt der Gesellschaft bröckelt bedrohlich vor lauter Selbstbezogenheit ihrer Mitglieder. Solidarität wird kleingeschrieben. Wenn jeder an sich denkt, ist schließlich auch an alle gedacht. Die Folgen sind bekannt: Vereinzelung - nicht erst im Alter -, sich zuspitzende Pflegeengpässe und Einsamkeit als neue Volkskrankheit. Und das ist nur die Spitze des sozialen Eisberges. Dass sich an dieser Entwicklung in der kommenden Generation etwas ändern wird, darf bezweifelt werden. Heutige Kinder haben eine Welt, die ganz auf sie selbst als Zentralgestirn zugeschnitzt ist, mit der Muttermilch aufgesogen.
Neuester Baustein für die frühe übersteigerte Ich-Zentriertheit: das personalisierte Kinderbuch. Modelle, bei denen der Name des Kindes integriert wird, waren der Anfang. Längst gibt es Produkte, bei denen eine dem eigenen Kind nachgezeichnete Comicfigur zentrale Gestalt wird und "spannende Abenteuer erlebt". Sei dein eigener Held! - werden die Bücher beworben. Hatten Helden in Kinderbüchern nicht einmal die Funktion, Kindern als Vorbilder zu dienen? Als Identifikationsschablonen, an denen sie lernen konnten, von sich selbst zu abstrahieren, sich in andere hineinzuversetzen? Fungierten sie nicht als Prototypen, an denen sich Ängste oder der Umgang mit dem Bösen bewältigen ließen?
Aber das ist künftig vielleicht nicht mehr nötig, wenn jeder auf seiner eigenen kleinen Insel sein eigener größter Held sein kann.