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Mindestsicherung: Grüne für 1000 Euro mehr pro Jahr und leichteren Zugang.
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Wien. Seit die Mindestsicherung 2010 die Sozialhilfe abgelöst hat, wird mit Sicherheit regelmäßig darüber gestritten, ob sie ein Sprungbrett in den neuen Job oder eine Hängematte ist. Jetzt feiert die Mindestsicherung ihre Premiere als Wahlkampfthema. Die ÖVP schießt sich auf Wien ein und kritisiert, dass die Zahl der Bezieher dort in nur zwei Jahren um 50.000 auf 160.000 gestiegen sei; und dass über 70 Prozent die Leistung länger als sieben Monate beziehen würden. Deswegen forderte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Dienstag schärfere Kontrollen, die seien zu "lasch". Auch der Sozialrechtler Wolfgang Mazal plädiert für eine "engmaschigere Kontrolle". Derzeit gelten die Kriterien und Kontrollen des Arbeitsmarktservice (AMS). Bezieher müssen arbeitslos, -willig und -bereit sein.
Auch die Grünen setzen auf das Thema. Sie wollen nicht die Kontrollen verstärken, sondern die Auszahlung. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" fordert Sozialsprecher Karl Öllinger erneut einen leichteren Zugang zur Mindestsicherung und eine Erhöhung der monatlich rund 800 Euro. Konkret fordert er eine 13. und 14. Mindestsicherung, das wären rund 1000 Euro mehr pro Jahr.
Das Auto des Arbeitslosen
Außerdem fordert er den Wegfall der Vermögenprüfung. Derzeit muss das Vermögen bis auf rund 4000 Euro Notreserve aufgezehrt sein. Im Haus oder der Wohnung muss man auch wohnen, das Auto muss man wirklich brauchen, das Mobiliar darf bloß "Hausrat" sein. Diese Überprüfung hält Öllinger für bürokratisch aufwendig und sinnlos. Denn "das Geld auf der Seite erwischen sie ohnedies nicht". Es soll nur noch das Einkommen geprüft werden. Den Vorschlag von Mikl-Leitner, die Bezieher öfter zu kontrollieren, hält er für einen "bürokratischen Überwachungsapparat, der sich selbst lahm legt".
Der grüne Sozialsprecher sieht seine Forderung nach einem erleichterten Zugang durch eine aktuelle Studie der Armutskonferenz bestätigt. Sukkus: Die Hälfte der Anspruchsberechtigten der Mindestsicherung nehmen diese gar nicht in Anspruch.
Hier besteht allerdings ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: In Wien kommt die Mindestsicherung an, auf dem Land nicht.
Ein Grund ist ein sehr menschlicher: Arbeitet der Schwager im örtlichen AMS, ist die Hemmschwelle höher, die eigene Armut amtlich zu machen, gegenüber dem anonymen Betreuer in der Stadt niedriger.
Die Stadt als Armen-Magnet
Die Anonymität der Städte zieht arme Menschen auf der ganzen Welt an, weil es dort gleichzeitig mehr Aussicht auf einen neuen Job gibt. Doch diese Jobs werden zunehmend prekär. Und das hat Auswirkungen auf die Mindestsicherung. Denn dadurch steigt die Zahl jener, die mit ihrem Einkommen aus Arbeit oder später in der Arbeitslose unter die Grenze von 800 Euro fallen - und mit der Mindestsicherung aufstocken. In Wien sind rund 75 Prozent der Bezieher der Mindestsicherung "Aufstocker".
Dazu meint Öllinger: "In der Stadt ist das Angebot an schlecht bezahlten Arbeitsplätzen einfach größer. Die Mindestsicherung ist sicher keine Hängematte."