Jede Tabletklasse hat nun ihre Geräte - und "Digitale Grundbildung" ist neuer Pflichtgegenstand.
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Der Stift muss nicht gespitzt sein, sondern aufgeladen. Die Hausübung nicht in der Schultasche, sondern in der Cloud. Willkommen in der 2b der AHS Antonkriegergasse in Wien-Liesing, wo für die Elf- bis Zwölfjährigen soeben die Stunde "Digitale Grundbildung" begonnen hat.
Die 25 Kinder sitzen jeweils vor einem Bildschirm, vor sich ihr Tablet und eine Tastatur. Ihre Aufgabe für heute: Ein Word-Textfeld in ein über eine Bildersuchmaschine ausgewähltes Bild einpflegen, sagt Lehrerin Alicia Bankhofer. Und: Herbstlich muss es sein.
Es ist eine der ersten Stunden des Faches "Digitale Grundbildung", seitdem es verpflichtend für die Schülerinnen und Schüler der ersten drei Klassen der AHS-Unterstufe und der Mittelschule (5. bis 7. Schulstufe) ist. Mit dem Schuljahr 2022/23 haben diese damit gestartet, ab dem Schuljahr 2023/24 wird das Fach auch auf dem Stundenplan jeder vierten Klasse stehen (8. Schulstufe). Eine Stunde pro Woche ist nun Pflicht, und es gibt Noten dafür. Thematisch geht es laut Lehrplan unter anderem um die Nutzung von Suchmaschinen im Internet und das Erfassen, Filtern, Sortieren, Interpretieren und Darstellen von Daten. Auch der Begriff Soziale Medien soll erklärt werden beziehungsweise, welche Interessen das jeweils anbietende Unternehmen hat. Damit eng verknüpft ist der Schutz der Inhalte - nicht nur vor Missbrauch, sondern auch vor Viren und Schadsoftware.
Einerseits sollen die Schülerinnen und Schüler also lernen, wie sie etwa Tabellenkalkulationsprogramme bedienen oder den Code eines selbst entwickelten Computerprogramms verändern können, damit es schneller und stabiler läuft. Andererseits soll aber auch vermittelt werden, wie man Fake News erkennt.
"Welche Seiten können wir nehmen, wenn wir Bilder suchen?", fragt Amelia aus der 2b der Antonkriegergasse. Die Lehrerin wiederholt und beantwortet ihre Frage vor allen, und schon sind fünf weitere Hände in die Höhe gestreckt.
Ganz unterschiedliche Bilder flimmern über die Bildschirme. Während die einen eine bunte Auswahl an orangen Kürbissen, goldfarbenem Mais und weinroten Blättern zeigen, poppt auf dem anderen der Schriftzug "Die Website ist nicht erreichbar" auf. "Wer braucht noch dringend Hilfe?", fragt Lehrerin Bankhofer, nachdem sie die einzelnen Schritte noch einmal auf ihrem Bildschirm gezeigt hat, der per Beamer an die weiße Tafel projiziert wird. Auch die Schüler und Schülerinnen helfen einander - so mancher Platz ist bereits unbesetzt, während über dem ein oder anderen Bildschirm mehrere Köpfe zusammengesteckt werden.
Pflichtfach als Antwort auf die Tabletklassen
Deren Vorwissen ist relativ ähnlich: Schon im Vorjahr wurden die damals Erstklässler in "Digitaler Grundbildung" unterrichtet, allerdings als verbindliche Übung ohne Benotung (die Schulen konnten schulautonom entscheiden, ob sie das Fach integrieren oder nicht). Die gesamte Klasse nahm daran teil. Sie ist daher nicht nur in Informatik eingeführt, sondern hat auch schon eine gewisse Medien- und Anwendungskompetenz.
Unterricht wie dieser ist freilich nur mit der technischen Ausstattung möglich - und die gibt es nun. Die "Digitale Grundbildung" ist quasi die Antwort darauf, dass im Jahr 2021 unter dem damaligen Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) damit begonnen wurde, Tablets und Laptops an die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Schulstufe zu verteilen. Insgesamt sollten 150.000 Geräte um 250 Millionen Euro ausgeliefert werden - mit Ende der Vorwoche sei man damit fertig geworden, heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Bildungsministerium. Jedes Schulkind dieser Schulstufen habe nun sein Gerät.
Die Eltern mussten dabei einen 25-prozentigen Selbstbehalt leisten, das waren je nach Gerät rund 100 Euro. Dieses ist dann Eigentum der Kinder. Finanziell schwache Familien konnten vom Selbstbehalt befreit werden. Geht ein Tablet oder Laptop verloren oder kaputt, müssen die Eltern die Kosten für ein neues Gerät allerdings zur Gänze tragen. Vergisst man es zuhause, kann man sich für den Schultag von der Schule eines ausborgen.
Die drei Freundinnen Mia, Lara und Zahra haben ihre Tablets fest unter den Arm geklemmt, als sie vom EDV-Raum, in dem die "Digitale Grundbildung"-Stunde soeben geendet hat, zur nächsten Stunde in eine andere Klasse wechseln. Diese ist, genauso wie alle anderen Klassen der AHS Antonkriegergasse, ebenfalls mit Bildschirmen und Tastaturen auf jedem Platz ausgestattet, die die Kinder mit ihren Tablets verbinden.
Digitale Hausübungsliste statt Mitteilungsheft
Diese kommen in fast allen Fächern parallel zu herkömmlichen Lernmethoden zum Einsatz - es gibt auch noch Schulbücher in ihrer gewohnten, gedruckten Form. An die Stelle des Mitteilungsheftes ist jedoch eine digitale Hausübungsliste getreten, die die Schülerinnen und Schüler sogar daran erinnert, falls eine Hausübung fällig, aber noch nicht abgegeben ist.
Die einheitlich schwarzen Hüllen der Tablets von Mia, Lara und Zahra sind mit zahlreichen, bunten Stickern beklebt. Autos, Blumen und Muffins. "In den Pausen müssen wir sie zumachen", sagt Lara. Und leiser: "Ich hab’ auch Spiele drauf." Mindestens fünf der 32 Gigabyte müssen für die Schule freibleiben, sämtliche Dateien sind jedoch in der Cloud gespeichert.
Was die "Digitale Grundbildung" betrifft, so sei die praktische Umsetzung des Lehrplans mannigfaltig möglich und stark vom unterrichtenden Lehrer abhängig, sagt Bankhofer. Hält zum Beispiel ein Deutschlehrer die Stunden ab, werde er die Medienkompetenz etwa anhand von Geschäftsbriefen lehren. Ist es eine Mathematiklehrerin, könnte es mehr um die Visualisierung von Excel-Tabellen gehen. Bankhofers Ziel sei, den Schülern und Schülerinnen zu vermitteln, mit welchem Tool sich welche Anforderung am besten erfüllen lasse, sagt sie. Sie selbst ist Lehrerin für Englisch und Informatik sowie Referentin für Medienkompetenz für Lehrende. Sie unterstützt die anderen Lehrkräfte der Schule in ihren Vorbereitungen auf das neue Pflichtfach.
Hochschullehrgang für im Dienst stehende Lehrer
Seit Mai werden auch jene Lehrkräfte, die schon bisher die verbindliche Übung "Digitale Grundbildung" unterrichtet haben, in sogenannten Massive Open Online Courses an der virtuellen Pädagogischen Hochschule fortgebildet, und im Herbst ist ein Hochschullehrgang im Ausmaß von 30 ECTS für im Dienst stehende Lehrerinnen und Lehrer gestartet. Ab 2023/24 ist dann ein eigenes Lehramtsstudium geplant, und als nächster Schritt sollen die Informatik-Lehrpläne der Oberstufen überarbeitet werden, um die Inhalte der "Digitalen Grundbildung" darauf abzustimmen. Am Donnerstag dieser Woche ist das Fach auch Thema im Nationalrat: Die Neos bringen einen Entschließungsantrag für ein Projektbudget für Schulen zum Zukauf externer Fachexperten ein. Diese sollen schon jetzt zum Beispiel Workshops für Schüler anbieten und Lehrer fortbilden.
Für die Schülerinnen und Schüler der Antonkriegergasse hat die neue Stunde bereits begonnen. Ein paar sind noch nicht so weit, sie stehen vor der geöffneten Klassentür. Geschichten müssen noch fertigerzählt und Pläne fürs Wochenende besprochen werden. Ein klassischer Schulalltag eben, wie es ihn seit jeher gibt. Und trotz der digitalen Möglichkeiten werden mitunter selbst noch per Hand mit wichtigen Infos bekritzelte Zettel ausgetauscht, hört man - zwischen oder auch während der Stunden.