Verteidigungsminister Doskozil will eine Neugewichtung der sicherheitspolitischen Aufgaben.
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Wien. Es ist offensichtlich: Österreich ist in den letzten Wochen dabei, sich beim Asylthema im Feld der europäischen Politik völlig neu zu verorten. Vorbei die Zeiten, als die österreichische Regierung Seite an Seite mit Deutschland und Schweden für eine Willkommenskultur eintrat, aus humanitären Gründen den aus Ungarn kommenden Flüchtlinge die Grenzen öffnete, ganz im Sinne des Diktums der Deutschen Kanzlerin Merkel, "wir schaffen das".
Die Einführung der Obergrenze vulgo Richtwert, inklusive Tagesbeschränkung von 80 Asylanträgen, sowie das Spielfelder Grenzmanagement zeigen das Umdenken der Regierung - "wir schaffen das vielleicht doch nicht." Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) glaubt offensichtlich nicht mehr daran, dass Europa mittelfristig die Herausforderung Flüchtlingsbewegung gemeinsam stemmen wird können. "Wir entwickeln uns faktisch weg von einer europäischen Lösung", sagte Doskozil am Mittwoch anlässlich einer Podiumsdiskussion, bei der die sicherheitspolitische Jahresvorschau des Verteidigungsministeriums für das laufende Jahr vorgestellt wurde.
Lösung in Griechenland?
Eine gesamteuropäische Lösung, so es sie denn geben kann, müsse "auch eine griechische Lösung" sein, so der Verteidigungsminister, der vor allem das Nicht-Funktionieren der Hot Spots in Griechenland kritisierte. Diesen käme die wesentliche Aufgabe zu, zu entscheiden, wer in Europa eine Chance auf Asyl habe und wer nicht. "Das allein reicht aber nicht", so Doskozils Vorwurf an die EU-Kommission, an die er die Aufforderung richtete, endlich einen europaweiten Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge durchzusetzen. Wichtig sei hierbei vor allem, dass auf nationaler wie auf internationaler Ebene negative Asylentscheidungen auch umgesetzt werden können. Die Kritik der Kommission an den Maßnahmen, die Österreich auf nationaler Ebene umgesetzt hat um die Flüchtlingsbewegung zu beschränken, wies Doskozil erneut zurück und betonte die Leistungen Österreichs im vergangenen Sommer. Österreich jetzt zu kritisieren sei der falsche Weg, schon jetzt habe die europäische Politik in der österreichischen Bevölkerung "kein Vertrauen mehr". Die Kommission, so Doskozil, täte besser daran, in der Frage der Rückführungsabkommen (Beispiel Marokko) geschlossen aufzutreten: "Nur die EU ist in der Lage, diese Länder dazu zu bringen, ihre eigenen Staatsbürger zurückzunehmen, wenn sie keine Aussicht auf Asyl bei uns haben." Zu den aktuellen Verstimmungen zwischen Deutschland und Österreich aufgrund der Zahl von 3200 Personen, die Österreich täglich über die Grenze lassen will, meinte Doskozil: "Wir gehen sehr freundlich mit Deutschland um." Würde Österreich jene Flüchtlinge, die nach Deutschland weiterreisen wollen, in Österreich dulden, würden diese es über kurz oder lang über die grüne Grenze nach Deutschland schaffen. EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker versuchte am Mittwoch zu deeskalieren: es gebe keine "konzertierte Aktion" gegen Österreich, er erwarte eine Beilegung des Streits.
Innere Sicherheit im Zentrum
Die Kritik der EU-Kommission an der Obergrenze wies Doskozil zurück und verwies darauf, dass nur eine beschränkte Zahl an Flüchtlingen in Österreich integrierbar wären. Diese wolle man auf keinen Fall sich selbst überlassen, "sonst passieren genau die Dinge, die wir verhindern wollen."
In der Verteidigungspolitik könne man sich nicht mehr länger nur auf die klassischen Aufgaben konzentrieren, so Doskozil. Man müsse sich stärker am Sicherheitsbedürfnis der eigenen Bevölkerung orientieren, forderte Doskozil eine Neugewichtung der Aufgaben zwischen Innen- und Verteidigungsministerium: "Am Ende kommt es nicht darauf an, wer vorne steht oder welches Ministerium verantwortlich ist." Es gelte zu überlegen, was das Verteidigungsressort für die innere Sicherheit leisten könne. Die Neugewichtung solle mit dem Innenministerium abgestimmt werden und müsse auf einer soliden rechtlichen Basis stehen, betonte Doskozil. Für die Aufgaben des Bundesheeres an der Grenze in Spielfeld forderte Doskozil mehr finanzielle Mittel. Die Verhandlungen mit Finanzminister Schelling (ÖVP) seien angelaufen, vorstellbar sei, das versprochene Sonderbudget vorzuziehen. Immerhin kulminiere die gesamte Balkanroute, auf der die Flüchtlinge nach Norden ziehen, in Spielfeld.