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Sicherheit knabbert Riesengewinn an

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft
"Lass alles hinter Dir", warb Hornbach. Nach fehlplatzierter Werbung lässt die Baumarktkette Clips auf YouTube hinter sich. Screenshot: WZ

Facebook und Google fuhren 2017 Milliarden Euro ein, gerieten aber auch in Bedrängnis.


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Wien. Online-Werbung hat sich zu einem Oligopol entwickelt: Weltweit landen mittlerweile von jedem ausgegebenen Dollar 70 Cent bei Googles Mutter Alphabet oder bei Facebook. Parallel dazu schnellen die Gewinne der beiden größten Anbieter Quartal um Quartal in die Höhe - während die klassischen Medien um Werbeerlöse kämpfen. Das soziale Netzwerk Facebook, zu dem auch das Kurznachrichtenservice WhatsApp sowie der Bilderdienst Instagram gehören, fuhr alleine von Juli bis September 4,7 Milliarden Dollar (4,05 Milliarden Euro) Nettogewinn ein - 79 Prozent mehr als im dritten Quartal 2016. Mit dieser Wachstumsrate kann selbst Alphabet nicht mithalten, steigerte den Gewinn um "nur" 33 Prozent. Dafür kam Alphabet mit der Suchmaschine Google und der Videoplattform YouTube in absoluten Zahlen auf den höheren Gewinn, nämlich 6,7 Milliarden Dollar (5,8 Milliarden Euro).

Werben, wo Pädophile posten

Doch selbst Facebook-Chef Mark Zuckerberg versucht, die Goldgräberstimmung bei den Anlegern zu bremsen. Die Gewinne könnten aufgrund höherer Investitionen in die Sicherheit nicht mehr so stark steigen. Seit der mutmaßlichen Einflussnahme Russlands auf die US-Präsidentschaftswahl via Facebook, Google und Twitter streift der Kongress die Samthandschuhe gegenüber der Digitalwirtschaft sukzessive ab. Kleinlaut gestand Facebook in der Zwischenzeit ein, dass Inhalte der auf Desinformation spezialisierten russischen "Internet Research Agency" von Juni 2015 bis August 2017 rund 126 Millionen Nutzer erreicht haben könnten. Zuckerberg kündigte an, die Zahl der für IT-Sicherheit zuständigen Mitarbeiter im kommenden Jahr auf 20.000 verdoppeln zu wollen. Und bei Google sollen künftig 10.000 Personen Inhalte prüfen, erklärte YouTube-Chefin Susan Wojcicki Anfang Dezember.

Kurz zuvor geriet YouTube wieder einmal in die Negativ-Schlagzeilen. Werbung erschien im Umfeld von Clips, die spärlich bekleidete Kinder zeigen, deckte die britische "Times" auf. So sei etwa ein Video von einem Kind im Nachtgewand von hunderten Pädophilen kommentiert worden. Großkonzerne wie Adidas, die Deutsche Bank und Lidl stornierten daraufhin ihre Werbeaufträge bei YouTube. Bereits im Frühjahr kam Google in Bedrängnis, weil Werbung im Umfeld hetzerischer Seiten aufgetaucht war. Rund 250 Firmen setzten daraufhin ihre Buchungen aus.

Unternehmen tauchen mit ihren Werbebannern - diese werden über das Google Display Network auf Webseiten platziert - und Videos auf YouTube in derartigem Umfeld auf, weil die Werbung automatisiert gebucht, ausgespielt und optimiert wird; im Fachjargon Programmatic Advertising. Google bietet seinen Kunden beispielsweise Werbeplätze im Umfeld jener Seiten, die zum Klick- und Suchverhalten der Nutzer passen, oder im Umfeld vordefinierter Stichwörter. Die Werber hoffen, dass Googles Algorithmen ihre Zielgruppen punktgenau ansteuern, allerdings verlieren sie dadurch die Kontrolle, wo konkret die Werbung erscheint.

Trotz dieser Unsicherheit zögern Werber, ihre Aufträge zu stornieren. Wer 2017 konkret betroffen war, geht diesen Schritt jedoch eher. In Österreich stornierten im Frühjahr die Baumarktkette Hornbach, die Bank ING-DiBa, die Stadt Wien und Danone (auch für die Märkte Deutschland und Schweiz) bei Google, nachdem die "Wiener Zeitung" deren Clips auf dem Portal NuoViso.TV, das verschwörungstheoretische und weit rechte Inhalte anbietet, gesichtet hatte.

Inwieweit haben diese Unternehmen und Organisationen seitdem ihre Werbepolitik überarbeitet? Danone beantwortet die Anfrage nicht. Die ING-DiBa schreibt: "Wir haben zwischenzeitlich unsere Nutzung von Google Display Netzwerk und YouTube umgestellt, um eine verbesserte Kontrolle und Überwachung sicherstellen zu können. Es gibt ein Team, das ein mehrstufiges Sicherheitssystem verwendet, um auszuschließen, dass wir mit Werbung indirekt zweifelhafte Inhalte finanzieren."

Die Bank bucht also wieder Werbung auf YouTube, kontrolliert aber strenger, wo diese auftaucht. Hornbach bleibt hingegen bei seinem Storno: "In Österreich ist die Kampagnen- und Bewegtbildwerbung weiterhin ausgesetzt", erklärt der Sprecher von Hornbach.

Wien verzichtet auf Reichweite

Einen weiteren Weg zeigt der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien (MA 53) auf: "Wir haben unsere Werbesystematik auf einen ausschließlichen Whitelist-Ansatz umgestellt." Beim Whitelisting erscheint Werbung nur noch auf vorher definierten Webseiten und YouTube-Kanälen. "Diese Entscheidung geht natürlich zulasten der potenziellen Reichweite, aber wurde sehr bewusst gewählt, da dies eine wesentlich bessere Kontrolle darüber einräumt, wo und in welchem Kontext Videos angezeigt werden", sagt Elisabeth Hirt von der MA 53.

Mehr Kontrolle ist auch das Ziel der EU-Datenschutzgrundverordnung. Sie tritt am 25. Mai 2018 in Kraft. Verstöße wie unrechtmäßige Datenspeicherung werden künftig mit bis zu 20 Millionen Euro geahndet - oder noch mehr, und zwar vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des letzten Geschäftsjahrs. Für Programmatic Advertising und andere Spielarten der Onlinewerbung muss künftig die Zustimmung der Nutzer eingeholt werden. Wie das passiert, ist in der Praxis jedoch offen. "Wird daher im nächsten Jahr das Web mit Zustimmungserklärungen überflutet?", fragt der Wiener Internet-Dienstleister Datenwerk in einem Blogbeitrag. Wohl nicht, schätzt Datenwerk. Doch ebenso wenig dürfte vielen Nutzern dann bewusst sein, wozu sie konkret ihr Einverständnis gegeben haben.

Werber sperren Breitbart

Mutter der Kontroversen um fehlplatzierte Online-Werbung ist jene um das Rechtsaußen-Portal "Breitbart". Die dortigen "Nachrichten" waren ein wichtiger Baustein für Donald Trumps Social-Media-Strategie im US-Präsidentschaftswahlkampf. Im November 2016 entschied der Cerealienhersteller Kellogg’s, Werbung auf Breitbart sei mit den Firmenwerten nicht vereinbar - und trat damit eine Lawine los. 3600 Unternehmen beziehungsweise Marken umfasst die Liste laut der Initiative "Sleeping Giants".

Auch im heimischen Werbemarkt wird die Liste an Breitbart-Werbern, die Hetze nicht mehr mitfinanzieren wollen, immer länger - die "Wiener Zeitung" berichtete. Hinzugekommen ist das mit 21,1 Milliarden Euro umsatzstärkste Unternehmen Österreichs, die Porsche Holding. Die Salzburger haben Breitbart für alle vertriebenen Pkw-Marken gesperrt (VW, Audi, Seat, Skoda, Porsche, Bentley, Lamborghini, Bugatti). Ebenfalls geblockt wird Breitbart von zwei im ATX gelisteten Unternehmen: Versorger Verbund und Ziegelproduzent Wienerberger. Dazu kommt der im Prime-Segment notierte Verkehrstelematik- und Kommunikationsdienstleister Kapsch. Das Unternehmen sei "bestrebt, das für alle Geschäftsfelder und Länder durchzuführen, in denen Kapsch aktiv ist", so deren Sprecherin - das wären in der Praxis 49 Staaten auf sechs Kontinenten.

Weitere österreichische Unternehmen, die ihre Werbung auf Breitbart zurückgezogen haben, sind die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, der Getränkehersteller Almdudler, der Möbelerzeuger Joka, der Milchverarbeiter Berglandmilch, der Fleischverarbeiter Neuburger, der Telekommunikationsanbieter Educom, der Fertighaushersteller Hartl Haus sowie Smatrics, das Ladestationen für Elektromobile anbietet.

Auch heimische Töchter internationaler Großkonzerne befinden sich unter den Breitbart-Gegnern: die Bank Austria, die Versicherung Ergo, der Getränkehersteller Coca-Cola, der Online-Versandhändler Zalando, die TV-Senderkette ProSiebenSat.1Puls 4, der Telekomkonzern Huawei und die Baumarktkette Hornbach. Deren Mutterkonzern sperrte Breitbart in sämtlichen anderen Ländern, in denen er aktiv ist.