Zum Hauptinhalt springen

Sicherheit: Nötig ist eine breite, offene Diskussion

Von Ursula Stenzel

Europaarchiv

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In der EU werden derzeit die sicherheitspolitischen Weichen gestellt, es ist daher wichtig, nicht zu einem Mitglied zweiter Klasse zu werden und über unsere Köpfe hinweg entscheiden zu lassen. Daher ist eine umfassende Diskussion in Österreich über eine Neuorientierung unserer Sicherheitspolitik in aller Offenheit und ohne Tabus zu führen. Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf des Analyseteils zu einer neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin eine entsprechende Diskussion gestartet. Und sie hat die Oppositionsparteien eingeladen, sich daran zu beteiligen. Ich hoffe, dass davon umfassend Gebrauch gemacht werden wird: Denn es kann nicht sein, dass wir das nicht zusammenbringen, was in anderen Staaten selbstverständlich ist.

Nur Österreich hatte diesbezüglich bis zur Vorlage des Analyseteils einer neuen Doktrin nichts anzubieten. Warum ist denn das so? Wer hinkt denn da der europäischen Entwicklung hinterher?

Ist es wirklich die neue Bundesregierung, die von der SPÖ aufgefordert wird, "zurück an den Start" zu gehen? Mein Appell an die Sozialdemokraten lautet jedenfalls: Besinnen Sie sich ihrer Wurzeln der Internationalität und Solidarität und springen sie endlich über den nationalen Schlagschatten. Führen Sie mit der Bundesregierung eine offene, ehrliche Diskussion über unsere künftige Sicherheitspolitik!

Vielleicht ist die SPÖ mit den gegenwärtigen sicherheits-politischen Möglichkeiten Österreichs deshalb so zufrieden, weil sie einfach zu sehr im Denken des Kalten Krieges verhaftet ist: Es gibt keine Bedrohung für unser Land, die einen Beitritt zu einem Militärbündnis sinnvoll macht, ist ein ständig, zuletzt auch von Heinz Fischer, wiederholtes Argument.

Dabei wird völlig übersehen, dass sich heute die NATO selbst nicht primär um die Verteidigung ihrer Mitglieder kümmert. Es wird völlig übersehen, dass die neue NATO vor allem eine politische Sicherheitsgemeinschaft ist.

Den Mitgliedsstaaten von WEU und NATO geht es heute vor allem um die Gestaltung einer möglichst stabilen und friedlichen gesamteuropäischen Entwicklung.

Bei einem allfälligen künftigen NATO-Beitritt Österreichs ginge es also nicht vorrangig um eine bessere Verteidigungsfähigkeit unseres Landes, sondern vor allem darum, dass wir die Entwicklung unseres europäischen Umfeldes besser mitgestalten könnten. Je besser wir dazu in der Lage sind, desto geringer wird auch die Notwendigkeit, dass österreichische Soldaten im Krisenmanagment (oder irgendwann gar in der Verteidigung) eingesetzt werden - und auf dieses Ziel sollten sich Regierung und Opposition eigentlich verständigen können.

Bei der notwendigen österreichischen Sicherheitsdiskussion sind Sachkenntnis, Ehrlichkeit und Offenheit gefordert. Dazu gehört es eben auch, zuzugestehen, dass unsere politischen Gestaltungsmöglichkeiten derzeit einfach geringer sind, als jene von WEU- und NATO-Mitgliedern.

Nur wer glaubt, dass die Politik von WEU und NATO sich nicht auf die europäische Sicherheitssituation auswirkt, kann dies in Abrede stellen. Das glaubt aber niemand in Europa - auch und schon gar nicht Sozialdemokraten wie Tony Blair oder Gerhard Schröder. Diese beiden bzw. ihre Außenminister sitzen nämlich Nordatlantikrat. Sie verzichten nicht auf die politischen Gestaltungsmöglichkeiten, die sie damit haben.

Mit dem Entwurf des Analyseteils zu einer Österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin hat die von der ÖVP geführte Bundesregierung jedenfalls einen längst fälligen Schritt im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik gesetzt, der in den vergangenen Jahren von der SPÖ verhindert wurde.

Österreich wird damit in Bälde über einen wirklich zeitgemäßen Ersatz für den Landesverteidigungsplan aus dem Jahr 1986 verfügen, der formal immer noch in Kraft ist!

MEP Ursula Stenzel ist ÖVP-Delegationsleiterin im Europäischen Parlament.