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Sicherheitspolizeigesetz bald vor dem VfGH?

Von Reinhard Binder

Wirtschaft

Es herrscht Rechtsunsicherheit im Datenschutz. | Menschenrechtsexperte sieht Chance auf Aufhebung. | Wien. Scharfe Worte hat der Menschenrechtsexperte Hannes Tretter für das neue Sicherheitspolizeigesetz (SPG) übrig. "Damit wurden rechtsstaatliche Grundsätze wie das Recht auf Datenschutz und ein effektiver Rechtschutz außer Kraft gesetzt", kritisiert der Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte im Rahmen einer Expertendiskussion des Universitätslehrgangs für Informationsrecht und Rechtsinformation. Er sieht sogar eine Chance auf Aufhebung der SPG-Bestimmungen mittels Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH).


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Das Problem sei allerdings, dass der VfGH zur Aufhebung eines Gesetzes immer einen "aktuellen Rechtseingriff" braucht. Tretter hofft, dass das Höchstgericht seine Judikatur nun den "neuen technischen Möglichkeiten" anpasst, denn eine "direkte Betroffenheit ist sonst nur schwer nachzuweisen".

Mehr Informationen für die Polizei

Im Wesentlichen sind es drei Punkte, die das novellierte SPG brachte: die Abfrage von Standortdaten von Mobiltelefonen, die erweiterte Auskunftspflicht von Internetprovidern über ihre Kunden und der Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern.

Der IMSI-Code beinhaltet Informationen über das Land, den Provider und die Handy-Kennnummer. Tretters Kritik: Die Exekutive darf die Daten ohne richterlichen Beschluss in "konkreten Gefahrensituationen" einfordern.

Es bestehe kein Zweifel, dass man Bedrohungen durch Terror effizient bekämpfen müsse, aber es stelle sich auch die Frage, wie hoch der Preis dafür sei, sagt Tretter. Wurde früher bloß auf Tatverdacht ermittelt, geht es heute darum, möglichst viele Daten zu sammeln, die in Zukunft nützlich sein könnten. Dabei bleibt unklar, wer die Daten gespeichert hat, wofür sie verwendet werden und ob sie weitergeleitet werden.

Tretter fordert deshalb, dass Betroffene nach Abschluss der Überwachungsaktion darüber informiert werden, damit sie die Überwachung von der Datenschutzkommission überprüfen lassen können.

Der Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium biete hingegen keinen effizienten Rechtsschutz. Man hätte zwar die Möglichkeit, jede Woche ein Auskunftsbegehren zu stellen, aber das ist weder effizient noch zumutbar, findet Tretter.

Große Unsicherheit bei den Providern

Für René Tritscher vom Fachverband der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen ist unklar, wann und wie viel Auskunftspflicht besteht. Er hält die Regelungen für unpräzise. Ob eine konkrete Gefahrensituation nach SPG vorliegt, ist für die Provider unmöglich zu überprüfen, meint Tritscher. Eventuelle Haftungsfragen sind überhaupt noch ungelöst. Provider ohne Rechtsabteilungen würden sich hier besonders schwer tun.

Auch nach Urheberrechts- und E-Commerce-Gesetz müssen bestimmte Daten an die Exekutive herausgegeben werden. "Da die Auskunft ohne richterlichen Befehl erfolgt, muss sie aber die Ausnahme bleiben", betont Tritscher.

Alexander Zach vom Liberalen Forum und Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen, bezweifeln die Notwendigkeit und technische Effizienz der Maßnahmen. Darüber hinaus würden die Eingriffe weitreichende Folgen haben, warnen beide. Denn die IP-Adresse des Computers würde Rückschlüsse auf den betrachteten Inhalt im Internet zulassen. Mit IMSI-Catchern könnten sogar ganze Gesprächsinhalte aufgesaugt werden. Beide fordern daher eine unabhängige richterliche Instanz zur Überprüfung.