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Sie brauch’n an Richter

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Misstrauen, und zwar Misstrauen gegenüber der weisungsunterworfenen Verwaltung und der weisungsbefugten Politik: Das trifft ziemlich genau das allgemeine Stimmungsbild der Bürger gegenüber ihrem Staat. Dessen ist sich natürlich auch die Politik bewusst - und deshalb ist sie ständig auf der Suche nach Entlastung.

Sie findet sie immer häufiger beim Richterstand.

Am Donnerstag war es - wieder einmal - am Verfassungsgerichtshof der Republik, dem Offensichtlichen auch endlich unmissverständlich zur Durchsetzung zu verhelfen: dass nämlich Kontrolle ohne vollen Zugang zu allen relevanten Dokumenten unmöglich ist. Weshalb künftig alle Akten dem U-Ausschuss ungeschwärzt vorzulegen sind. An der Verpflichtung der untersuchenden Abgeordneten zur Verschwiegenheit ändert das selbstredend nichts. (Ob sich die Mandatare auch daran halten, wird ein aktuelles Urteil über den Zustand des heimischen Parlamentarismus erlauben.)

Am selben Tag vereinbarten SPÖ, ÖVP und Grüne, dass ein Richter die geplante Konteneinsicht der Finanzbehörden absegnen muss.

Das Vertrauen ist passé, Kontrolle und Transparenz der Obrigkeit ist angesagt. Allerdings ist es dazu in Österreich noch ein sehr weiter Weg.

Das Schlagwort vom "Richterstaat" wird in der Regel zur Beschreibung einer negativen Entwicklung gebraucht: für einen die Demokratie gefährdenden Zustand, in dem die Entscheidungen von Richtern den Spielraum der gewählten Politik in unzulässiger Form einschränken. Meist sind es natürlich Politiker, dies sich darüber erregen, dass ihnen unbequeme Richtersprüche in die Quere kommen. In Österreich flüchtet sich die Politik immer öfter unter den Prestigemantel des Richterstands. Nur als Beispiel: Die bisher offenste und schonungsloseste Aufarbeitung des Hypo-Debakels erfolgte unter dem Vorsitz der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss.

Der Beruf des Richters, der Richterin, verlangt im Alltag nach einem besonderen Menschenschlag. Das Gesetz, das Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit garantiert, liefert dabei nur den formalen Rahmen. Mit Leben müssen diese Normen dann schon mit Charakter zum Leben erweckt werden.

Hoffentlich verfällt die in die Enge geratene Politik nun nicht auf die Idee, dass sie sich eigentlich diesen Berufsstand wieder enger zur Brust nehmen könnte.