Zum Hauptinhalt springen

"Sie fürchten einen Präzedenzfall"

Von WZ-Korrespondentin Simone Brunner

Politik

In der Ukraine wird um den Entzug der Immunität des Abgeordneten Serhij Kljujew wegen vermuteter Korruption gerungen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Kiew. Ein Mann steht in einem Käfig, mit einer Maske und einem Schild: "Ich glaube an die Hoheit des Rechts. Smiley." Hinter dem Käfig haben Aktivisten ein Plakat entrollt: "Kljujew die Immunität entziehen, oder Neuwahlen." Einige Menschen tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Ukraine. Fuck Corruption."

Die ukrainischen Anti-Korruptions-Aktivisten sind schon geübt in medienwirksamen Aktionen vor dem ukrainischen Parlament. Als im Herbst über Korruptionsgesetze abgestimmt wurde, kneteten die Aktivisten schon Paradeiser zwischen den Fingern, um jene Abgeordnete abzuschießen, die dagegen gestimmt hatten. Die Gesetze gingen letztlich durch. "Wir haben einen zu hohen Preis dafür gezahlt, damit im Parlament Leute sitzen, die fähig sind, etwas im Land zu ändern", sagt die Aktivistin Tata Peklun.

Diesmal geht es um die Brüder Kljujew. Und dabei führt die Spur nach Wien. Andrij und Serhij Kljujew, ehemals enge politische Gefährten des geflohenen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch - Andrij war Leiter der Präsidialadministration, Serhij saß für die "Partei der Regionen" im Parlament - sind Eigentümer der Slav AG mit Sitz in Wien. Während Andrij nach dem Umsturz am Maidan nach Russland geflüchtet sein soll, sitzt Serhij als Abgeordneter wieder im ukrainischen Parlament.

Journalisten und Aktivisten werfen den Kljujew-Brüdern vor, sich während ihrer Amtszeit bereichert zu haben - unter anderem über das Unternehmen Activ Solar, einen Entwickler von Solarparks, ebenfalls mit Sitz in Wien. Die ukrainische Staatsanwaltschaft ermittelt bereits.

Serhij Kljujew selbst wirft der Staatsanwaltschaft vor, "unter politischem Druck" zu agieren. Der Entzug der Immunität gilt als zentral für das weitere Vorgehen. In Österreich und der Schweiz sind die Konten der Kljujew-Brüder seit dem Umsturz am Maidan gesperrt, die beiden stehen zudem auf der Sanktionsliste der EU.

Spekulation über Verbindung von Aktiv Solar und Kljujew

Über eine Verbindung zwischen Activ Solar und den Kljujew-Brüdern wurde immer wieder spekuliert - so residierten die Slav AG und Activ Solar in Wien lange Zeit an derselben Adresse. Activ Solar wurde 2008 von eben Kljujews Slav AG gegründet - 2009 übernahm ein Fonds aus Liechtenstein. Zuletzt soll der Wiener Rechtsanwalt Stefan Benesch die Verwaltung der Anteile übernommen haben, heißt es von Activ Solar. Benesch war für die "Wiener Zeitung" zu keiner Stellungnahme zu erreichen. "Faktum ist, dass die Firma Activ Solar keine Geschäftsbeziehungen mit den Gebrüdern Kljujew hat", hält Activ Solar in Statement fest.

Zumindest die familiären Verbindungen sind allerdings vielfältig: Geschäftsführer ist Kaveh Ertefai, Schwiegersohn von Serhij Kljujew. Mit Bohdan Kljujew, der Sohn von Andrij Kljujew, arbeitet ein weiteres Familienmitglied im Unternehmen.

Activ Solar hat seit seiner Gründung von den hohen Einspeistarifen profitiert und stieg innerhalb weniger Jahre zum führenden Sonnenstrom-Unternehmen der Ukraine auf. Activ Solar betont dabei stets, nur der Projektentwickler zu sein. Die Photovoltaik-Anlagen werden wiederum an Unternehmen mit komplizierter Offshore-Konstruktion verkauft - oft mit einem Grundkapital von wenigen Euro, so die ukrainische NGO "Zentrum gegen Korruption". Diese sieht die Kljujew-Brüder deswegen als Schlüsselfiguren bei der Bereicherung rund um Ex-Präsident Janukowitsch, - und die komplizierte Struktur als Mittel, um Geldflüsse zu verschleiern.

Im Ukraine-Konflikt ist Activ Solar, das bis zuletzt auf der Krim tätig war, zwischen die Fronten geraten. Ukrainischen Medien zufolge wurden von Activ Solar errichtete Solarparks von russischen Behörden konfisziert - darunter auch Perowo, einer der größten Photovoltaik Parks der Welt. Auf Anfrage heißt es dazu: "Activ Solar ist ausschließlich Projektentwickler und nicht langfristiger Eigentümer der Solaranlagen. Die Anlagen in der Ukraine und auf der Krim wurden jeweils im Auftrag von internationalen Investoren errichtet. Das Unternehmen stellte zudem im Jahr 2014 sämtliche Aktivitäten auf der Krim ein."

Ob Kljujew die Immunität entzogen wird, entscheidet sich heute, Mittwoch, Früh. Aktivisten wie Tata Peklun wollen nicht aufgeben. "Sie (die Abgeordneten, Anm.) fürchten sich davor, einen Präzedenzfall zu schaffen, durch den die Hälfte der korrumpierten Abgeordneten dasselbe Schicksal ereilt wie Kljujew", so Peklun.