Politiker haben jedes Recht auf jede Meinung - aber nicht auf glatte Lügen, schon gar nicht über die Pandemie.
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"Nicht die bösen Ungeimpften" würden die Spitäler füllen, sagte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein bei einer Corona-Demo vorigen Samstag in Wien, wie auf zahlreichen Videos, die im Internet abrufbar sind, zu sehen ist. "Oh nein, das sind ganz, ganz viele Geimpfte, die aufgrund eines Impfschadens behandelt werden müssen."
Man kann diese Einlassung der Politikerin nicht anders verstehen denn als Behauptung, die derzeitige Anspannung in den Spitälern wäre mehr auf die Folgen der Impfung denn auf die der Pandemie selbst zurückzuführen.
Wenn sie das behauptet, lügt die Frau Abgeordnete jedoch, wie etwa der niederösterreichische Patientenanwalt Gerald Bachinger richtigerweise festhielt. Und zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit bewusst, denn als studierte Medizinerin - wenn auch nicht Ärztin - muss sie mit den Fakten einigermaßen vertraut sein; auch stehen ihr als fachkundiger Politikerin alle Möglichkeiten offen, sich mit dem Sachverhalt vertraut zu machen. Seit dem Start der Covid-Impfungen wurden 1.360 Personen (von rund sechs Millionen Geimpften) "in zeitlicher Nähe zur Impfung" im Spital behandelt. Dem stehen aber mehr als 61.500 Hospitalisierungen von überwiegend ungeimpften Covid-Kranken seit Pandemiebeginn bis Ende September gegenüber, also 45 Mal so viele. Wer da die Spitäler füllt, sollte wirklich nicht so schwer zu verstehen sein.
Einer aktiven Politikerin fälschlicherweise vorzuwerfen, dass sie die Unwahrheit sagt, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit kreditschädigend oder üble Nachrede; ich lade die Dame daher ein, mich zu klagen und die Frage, ob Sie die Unwahrheit gesagt hat oder nicht, dort zu klären, wo so etwas gelegentlich hingehört: vor Gericht. Die damit verbundenen Kosten und Risiken trage ich natürlich gerne selbst und ganz persönlich.
"Dass es keine öffentliche Widerrede zu den Aussagen der freiheitlichen Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein gibt, (. . .) ist erschütternd", schrieb dazu "Wiener Zeitung"-Chefredakteur Walter Hämmerle jüngst und hat damit völlig recht - es wird Zeit, sich gegen diese Methoden, die weit jenseits des Bogens der legitimen demokratschen Auseinandersetzung angesiedelt sind, robust zur Wehr zu setzen. Eine juristische Klärung, wo da die Grenze zwischen der absolut zulässigen, ja notwendigen anderen Meinung und frei erfundenen Fakten liegt, deren öffentliche Behauptung durch eine Medizinerin Menschen zu einem für sie gefährlichen Verhalten führen kann, kann durchaus Teil dieser öffentlichen Widerrede sein.
Man mag es ja als sympathische österreichische Toleranz auch sehr verwirrten Äußerungen gegenüber verstehen, dass Frau Belakowitsch-Jenewein und ihresgleichen mit derart dreisten Lügen ungeschoren davonkommen, nach dem Motto: "Die wollen ja nur spielen." Doch eine Pandemie ist kein Spiel, knapp 12.900 Tote sollten das belegen. Und bei der Gelegenheit: Wer sich überlegt, und sei es aus guten Gründen, an diesem Wochenende zu einer Corona-Demo zu gehen, ist vielleicht gut beraten zu überdenken, welcher Sache das nützt.